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Ohne Rahmen freilich, als habe sie nur diesen mitgenommen, das Bild aber hinterlas-
sen, um den nachfolgenden Besuchern noch etwas von ihrem Schmerz zu vermitteln.
Kurz unterhalb der Bergspitze von Foia gelegen, thront diese ehemalige Sommerresi-
denz am Südhang der Serra de Monchique. Bei einem Besuch in der Nachsaison trafen
wir dort einen Psychiater aus Lissabon, der jedes Jahr um diese Zeit dorthin reist. Am
Swimmingpool, während sich die Fichten im warmen Südwestwind wiegten und einen
angenehmen Duft verströmten, erklärte er uns, warum es ratsam sei, die Hauptsaison
dort zu meiden: Nur wenn es leer ist, könne man das herrschaftliche Gefühl verspüren,
das jene Orte ausstrahlen, und die Ruhe zur Lektüre wiedergewinnen, die im Alltag
fehlen würde. Abends, wenn der Wind auffrischt, solle man auf die Geräusche achten,
das Knacken im Gebälk. Und zwischen alldem sei auch manchmal das leise Schluchzen
der traurigen Schwester zu hören. Dann sprang er in das eiskalte Wasser des Pools und
erklärte: Não é muito frio , nicht sehr kalt.
Diese Aussage schränkte die Wahrheit seiner Geschichten etwas ein. Denn der Pool
war ungeheizt, und die Temperatur lag, wie wir schon vorher zitternd festgestellt hat-
ten, bei frostigen 17 Grad. Beim Abendessen, inzwischen war Sturm aufgekommen,
lauschten wir vergebens nach dem märchenhaften Gewimmer. Die Wasserobsession
jedoch teilte er offenbar mit seinem Freund und Klinikkollegen, dem Schriftsteller
António Lobo Antunes, der in seinem großen Roman »Die natürliche Ordnung der
Dinge« immer wieder mit dem Bild eines Lissabon, das vollständig unter der Wassero-
berfläche liegt, spielt.
Feuchtigkeit und Regen verändern ein Land, lassen es faulen, Korrosion entsteht
und mit ihr der Verfall der Dinge. Nebel steigt auf und mit ihm ein Hauch von Ver-
wunschenheit. In einer solchen Stimmung verirren sich im Märchen die Helden, und
man gelangt mitten in der Dunkelheit an fremde Türen und Tore. Wie wichtig es ist,
sich die Herberge, in der man übernachten will, vorher anzusehen und gegebenenfalls
auch noch Zeit zu haben, die Flucht zu ergreifen, mußten wir ein anderes Mal erfah-
ren.
In der Hauptsaison ist es fast unmöglich, Portugal auf gut Glück zu entdecken, da
man überall vorher reservieren muß. So liegt die ideale Reisezeit im Frühling oder
Herbst. An einem dieser Herbsttage waren wir in sintflutartige Regenfälle geraten, die
über dem oberen Douro-Tal niedergingen. Wir hatten noch am gleichen Morgen in ei-
ner Quinta telefonisch reserviert und das Abendessen auf Anfrage mitbestellt. Von an-
deren Quintas war uns bekannt, daß sie gelegentlich auch ein Restaurant im Hause ha-
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