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die ersten beiden Gebäude, die wie keine anderen für die Sehnsucht der Fremden nach
einem Portugal stehen, das sich hervorragend als Projektionsfläche für unerfüllte Träu-
me und Sehnsüchte eignet.
Warum? Weil hier so vieles einfach belassen ist, was andernorts zerstört wurde. Die
Portugiesen haben im Unterschied zu den Mitteleuropäern keinerlei sentimentale Be-
ziehung zu alten Dingen oder Häusern, die lange als verstaubt und nur als überkom-
men galten. Das nutzen, so wird berichtet, holländische Antiquitätenhändler seit lan-
gem. Sie chartern ganze Frachtschiffe, um die von Bauern und Landbesitzern billig
aufgekauften Möbel für das Hundertfache an die wohlhabende Käuferschicht im Nor-
den zu veräußern. So manche zahnlose Oma hat am Straßenrand ein Schild aufgestellt,
um auf die Möbel hinzuweisen, die zumeist in alten Scheunen aufgestapelt sind. Dort
findet der geduldige Jäger manchmal, in Spinngewebe eingeschlossen, genau den alten
Teewagen, der ihm noch zu seinem Glück in der Bibliothek fehlt. Aber auch die Omas
haben inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt und verlangen für zum Teil stark ange-
nagte Stücke enorme Summen.
Die perfekte Landschaft oben am Schloß, der tropische Garten von Monserrate
westlich von Sintra, dessen Landhaus einst Sir Francis Cook gehörte, dazu der Atlantik
in Blickweite: Kein Wunder, daß diese Umgebung, die Künstler aus aller Welt immer
wieder anzog, heute erstaunlich viele Quintas aufweist, in denen man auch übernach-
ten kann. Diese umgebauten Landsitze, die es in ganz Portugal gibt, einige davon opu-
lent ausgestattet mit Schwimmbad, Spielsaal und Bibliothek, gehören zu einem Kon-
zept, das die Portugiesen selbst entwickelt haben: Turismo de Habitaão e Rural . Darun-
ter ist zu verstehen, daß alte Herrengüter von Großgrundbesitzern, Landwirten und
Weinbauern in elegante Pensionen verwandelt werden. So kann man großflächig auf
häßliche Neubauten verzichten und die Touristen förmlich aus der Landschaft ver-
schwinden lassen. Ein Umstand, der zweifelsohne als ästhetischer und landschaftlicher
Gewinn zu verbuchen ist. Obwohl die Portugiesen es dem Reisenden nicht gerade
leichtmachen, die Quinta seiner Wahl zu finden (einen Gesamtprospekt muß man für
etwa acht Euro an Tankstellen oder in Buchhandlungen erwerben), lohnt sich die Mü-
he. Wer einmal in die märchenhafte Lage gekommen ist, in der ehemaligen Ferienresi-
denz der Königsfamilie zu nächtigen, wird verstehen, warum selbst ein Exil in Brasili-
en die geflohenen Regenten nicht mehr glücklich gemacht hat.
Wie das aussieht, läßt sich in Monchique, im Gebirge nördlich von Portimão an der
Algarve, in Augenschein nehmen: Trauerumflort blickt eine Schwester der königlichen
Familie aus dem Ölgemälde herab, das im Speisesaal der Quinta de São Bento hängt.
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