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Daß manchmal auch einfach alles gutgehen kann, obwohl niemand damit rechnet,
hatte ich einmal in Porto erlebt. Dort gab ich bei einem alten Schriftsetzer mit dem tö-
nenden Namen Heroica einen Satz Visitenkarten in Auftrag. Das Geschäft in einer der
steilen Gassen, die vom Ufer des Douro hinauf in die Stadtmitte führen, war sehr alt.
Der Meister trug einen blauen Arbeitskittel und eine sehr dicke Brille. Auf Anfrage
holte er einen vergilbten Prospektband mit Schriftarten aus der Schublade und suchte
zwischen den verklebten Plastikseiten nach den geeigneten Lettern. Ich vermutete,
auch Doktor Pereira, dem Helden in Antonio Tabucchis berühmtem Buch »Erklärt Pe-
reira«, hätte bereits 1938 für seine Visitenkarten die gleiche Auswahl zur Verfügung
gestanden. In möglichst leserlichen Großbuchstaben kritzelte ich die gewünschten In-
formationen, mit denen ich die Visitenkarte versehen haben wollte, auf einen Zettel
und fragte, ob das so und so möglich sei. Die Frau des Meisters, welche die ganze Zeit
kritisch ihrem Mann auf die Finger gesehen hatte, betonte mehrfach, daß dies gewiß so
in Ordnung gehen würde, com certeza .
Meine Begleiterin hatte daraufhin mit mir eine Wette abgeschlossen, daß eingedenk
meiner unmöglichen Handschrift und der Nachdrücklichkeit, mit der die Frau des
Meisters ihre Beteuerungen wiederholt hatte, das Ergebnis bestimmt formidabel sein
würde. »Es käme einem Wunder gleich, wenn sie alles richtig schreiben.« Also wette-
ten wir um eine Flasche Late Bottled Vintage 1994. Indes, am nächsten Morgen holten
wir die sorgsam eingewickelten zwei Päckchen ab, und zum Vorschein kam eine feh-
lerlose Visitenkarte in Hochdruck mit unschlagbarer Optik. In Portugal passieren die
Wunder eben nicht nur in Fátima.
Derlei Schicksalsspiele gingen mir durch den Kopf, als wir auf dem Bahnsteig in
Coimbra standen und warteten. Auf den Vorsteher, der den Zugchef angerufen hatte.
Auf den Zugchef, der versprochen hatte, im Zug nachzusehen. Und auf den Stations-
vorsteher der nächsten Stadt, der sich nach Rücksprache mit seinem Chef wiederum
bereit erklärt hatte, das Objekt der Begierde im Falle seines Auffindens mit dem nächs-
ten Alfa wieder zurückzuschicken. Die Luft sirrte, und im nächsten Moment klingelte
das altmodische schwarze Wählscheibentelefon des Vorstehers. Man hatte das schwar-
ze Buch gefunden, und bald hielt ich es wieder in meinen Händen, vollständig. Merke:
Reservierungen sind doppelt ratsam. Insbesondere zum Auffinden von Verlorenem.
Daß die meisten Portugiesen um nichts in der Welt ihr Auto für eine Reise im Zug in-
nerhalb des Landes stehenlassen: ein Rätsel.
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