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Staub, nichts von Sandstürmen und Giftvipern, nichts von Durst und Anstrengung. All das
lag jenseits meiner Karte und würde ab morgen zu meinem normalen Tagesablauf gehören.
Endlich unterwegs. Einfach nur gehen. Ich konzentrierte mich auf die Atmung, die näch-
sten Schritte und suchte nach dem Gleichgewicht des Laufens. Schon früh am Morgen war
es warm, so um die 20 Grad, während ich durch flaches Gelände lief. Der Boden war hart-
gebacken, eine Mischung aus farbigen Kieseln, feinem Sand und vielgestaltigen Felsblöck-
en. Nur hier und da etwas Buschwerk.
Einfach nur gehen. Leere und Licht absorbierten mich, während die enorme Weite
spürbar wurde und ich tief im Innern ein altvertrautes Kribbeln spürte, dass durch
aufgeregte Erwartung geprägt war. Ein wunderbares Gefühl, wenn die Welt um mich herum
mehr und mehr Wüstencharakter annahm und ich wie »elektrisch aufgezogen« durch eine
Landschaft lief, die so herrlich anders war. Das waren Augenblicke, in denen ich es genoss,
dass mein Wille die Antriebskraft für meinen Körper war, der sich zuverlässig bewegte,
während der Rucksack ganz bequem auf den Schultern lag, abgestützt von einem breiten
Hüftgürtel. Seit Jahren ist der Rucksack mein Freund, mit dem ich oft spreche. Ich liebe
ihn, steckt in ihm doch all das, was ich zum Leben und Überleben brauche.
Einfach nur gehen. Tag für Tag. Über schroffe Steinfelder, ausgedörrte Erdschollen und
staubige Wadis. Ich wanderte 20 bis 40 Kilometer zwischen dem frühen Morgen und der
Abenddämmerung. Von Wasserstelle zu Wasserstelle, von Oase zu Oase. Ohne Handy,
ohne Funkgerät, ohne Lebensmitteldepots. Als Schutz vor Sonne, Wind und Sand hatte ich
mir einen roten Chech, ein meterlanges Musselintuch, um Kopf, Hals und Mund gewickelt.
Bis auf einen kleinen Augenspalt war der ganze Kopf verhüllt. Ich sah aus wie eine Mu-
mie.
Einfach nur gehen. Manchmal auch nachts, wenn die Temperatur von plus 25 auf
15 Grad sank und mir Mond und Sterne den Weg beleuchteten. Soweit die landschaftlichen
Gegebenheiten es zuließen, orientierte ich mich dann am Gesprenkel des Nachthimmels
und vertraute meinem geschulten Sensor.
Einfach nur gehen, nach Hassi Marroket, wo das sprudelnde Wasser eines artesischen
Brunnens Felder und kleine Gärten in die Ödnis gezaubert hatte.
Einfach nur gehen auf einer holperigen Piste nach Südosten, durch die Ausläufer und das
Randgebiet des Grand Erg Oriental. Eine Bilderbuchwüste mit modellierten Dünenmeeren.
Windvariationen in Vollendung. Ein Gebiet, so groß und weit, dass man Österreich und die
Schweiz leicht darin unterbringen könnte.
Einfach nur gehen. Durch leeres und lebloses Land, wo es dennoch viel Leben gab. Das
bemerkte ich besonders am Morgen, wenn ich ein paar Schritte um mein kleines Biwak
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