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machte und zahllose Spuren im Sand sah: Abdrücke von Käfern, Eidechsen, Springmäusen
und Vipern.
Einfach nur gehen, bis die Füße in dem versandeten Terrain immer wieder knöcheltief
einsanken und mein Vorankommen gebremst wurde, sodass ich die Langlaufskier und die
Skistöcke vom Rucksack schnallte. Mit großen Laufschritten spurte ich dann über aus-
gedehnte Sandebenen, langgezogene Senken oder sogenannte Gassi - das sind sandreiche
Flächen, die sich zwischen den hohen Dünen erstrecken und wie ein feinnerviges Netz die
großen Ergs des Grand Oriental durchziehen.
Zur Abenddämmerung, wenn ich von einem erhöhten Dünenkamm auf meine Langlauf-
spur zurückschaute, sah ich ein skurriles Fischgrätmuster, das die Spitzen meiner Ski in den
Sand gezeichnet hatten. Eine seltsame Fährte, die im Schattenwurf des entschwindenden
Lichts noch verstärkt wurde. Und wenn die immer länger werdenden Schatten über die
wie Krummdolche gebogenen Dünen fächerten und sich auf den hohen Kämmen ein san-
fter Sprühregen aus Sand erhob, war es, als würden die Dünengipfel rauchen. Im letzten
Sonnenlicht wirkten die in Bewegung geratenen Dünenketten wie die Gischtbrandung
eines Meeres.
Auch bei Sonnenaufgang glichen die Wogen aus Sand einem Meer: immer in Bewegung,
nur viel, viel langsamer. Eine Choreographie des Windes, wobei die Luvflanken der Dün-
enzüge meist fest wie Stein wirkten, während die Leeseiten eher weich, tückisch und oft
bodenlos waren. Ich sah Sicheln, Grate, Kurven und langgestreckte Linien. Alles war im
Gegenlicht überscharf gezeichnet. Und mit einem Hauch von Rosa, dem Abglanz des mor-
gendlichen Himmels, wellten sich die Dünen in die Ferne. Eine Woge hinter der anderen.
Ungezählte Reihen, fast methodisch angeordnet, so weit das Auge reichte.
Wenn der Wind tagsüber günstig wehte, kramte ich meinen Paraflexdrachen, eine Art
Schleppsegel, aus dem Rucksack. Mit geübten Handgriffen enthedderte ich rasch die vielen
Nylonschnüre und brachte den Windvogel, der in der Luft eine Spannweite von fünf
Metern hatte, in Position.
Bereits viele Monate vor meiner Saharawanderung hatte ich an Dänemarks Nord-
seeküste den Umgang mit einem Paraflexdrachen trainiert. Zur Belustigung vieler Spazi-
ergänger war ich auf Langlaufskiern über den kilometerlangen Strand gelaufen, unterstützt
von einem windgeblähten Schleppdrachen, der mich und meinen Rucksack voranzog, was
nicht immer elegant aussah. Manchmal konnte ich mit dem Drachen kaum Schritt halten,
verlor gelegentlich sogar den Halt und legte mich lang. Mehr als vierzehn Tage brauchte
ich, ehe ich »den Dreh« raushatte und meine Skier auf gerader Spur halten konnte, während
mich der stablose Lenkdrachen unterstützend voranzog.
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