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im Hause der altadligen Grafen de Foucauld, kam er mit sechs Jahren als Vollwaise zu
seinem Großvater, einem Offizier der französischen Armee. Ohne viel Zuwendung wuchs
er auf und wurde mit 20 Jahren zur Militärakademie geschickt. Als sein Großvater starb,
erbte der junge de Foucauld ein beträchtliches Vermögen, mit dem er ein sehr freizügiges
Leben führte, ehe er einen völlig anderen Weg einschlug. Vom reichen Lebemann und
Frauenheld der Pariser Gesellschaft zum Offizier der Fremdenlegion. Nachdem er in der
Verkleidung eines russischen Wanderrabbiners 1883/84 das noch verschlossene Sultanat
Marokko erkundet hatte, stieg er zum gefeierten Reiseschriftsteller auf, der vom französ-
ischen Staatspräsidenten ausgezeichnet wurde. Als Afrikaheld der Belle Époque empfand
er großen Respekt vor dem Islam, wandte sich wieder dem katholischen Glauben zu und
trat in den strengen Trappistenorden ein. Im Alter von 42 Jahren kehrte er Europa endgültig
den Rücken, um in der Wüste zu leben.
Mehr als fünfzehn Jahre verbrachte Charles de Foucauld in selbstgewählter Armut in
der Sahara, widmete sich Gott und entwarf Pläne für ein neues Mönchtum, wobei Näch-
stenliebe sein Ideal war. Durch einfachste Lebensweise und körperliche Zähigkeit erlangte
er den Respekt der Tuareg. Er lernte ihre Sprache, das Tamaschek, und ihre Schrift, das
Tifinagh, sammelte Sagen, Gedichte und Lieder des alten Wüstenvolkes, die er nieders-
chrieb, legte ein 2000 Seiten umfassendes Wörterbuch der Tuareg-Sprache an, das noch
heute als einzigartiges Werk gilt, und übersetzte auch die Bibel ins Tamaschek, wenngleich
es niemals sein Anliegen war, andersgläubige Menschen zu missionieren. Überdies be-
treute de Foucauld zahlreiche Kranke und sorgte für Impfungen, veranlasste Pflanzungen
und Brunnenbauten, schlichtete bei Streitereien und ließ in der Oase Tamanrasset ein Fort
mit hohen Lehmmauern errichten, das den Einheimischen Schutz vor räuberischen Über-
fällen bot. Zudem war es de Foucauld zu verdanken, dass die damaligen Friedensverhand-
lungen zwischen den Tuareg und den französischen Kolonialherren nach vielen gescheiter-
ten Versuchen endlich erfolgreich abgeschlossen wurden.
All das führte schließlich dazu, dass de Foucauld bei den Tuareg als ein Marabout galt,
ein Mann, der über besonderen Zugang zu Gott und dem Jenseits verfügte.
Andere Volksstämme der Sahara, vor allem die libyschen Senussi, hassten dagegen den
französischen Pater, da er es mit großem Geschick verstand, die Tuareg der Hoggarregion
für sich und damit auch für die Franzosen zu gewinnen. Die kriegerischen Senussi wollte
stattdessen alle Europäer aus der Sahara vertreiben.
Ob Charles de Foucauld in jenen Tagen tatsächlich als Spion für die französische Armee
arbeitete, bleibt nach wie vor ein Rätsel. Seltsam aber ist, das de Foucauld trotz seines
hingebungsvollen Lebens bei den Tuareg tief im Herzen immer Franzose blieb, der sich
der »Grande Nation« verpflichtet fühlte. Besonders nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges
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