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Treiben im Dhauhafen zu, wo keuchende Träger riesige Schiffsbäuche be- oder entluden,
Garköchinnen frischen Fisch auf kleinen Kohlefeuern grillten, Matrosen in die hohen
Masten kletterten, Planken schrubbten, durchgescheuerte Tauenden spleißten, Reepe
verknoteten oder Schiffskörbe flochten. Alle im Hafen kannten Yussuf, mochten ihn und
sein unwiderstehliches Lachen, bei dem der offene Mund nur noch fünf faulige Zähne
zeigte. Jahrzehntelang hatte Yussuf jeden Morgen zu Allah um einen guten Fang gebetet,
ehe er mit einer Dhau zum Fischen aufs Meer hinausfuhr. Seit er zu alt war, um sich auf ho-
her See zu behaupten, versorgten ihn jüngere Fischer, die er seit Kindesbeinen kannte und
denen er immer wieder die Geschichte von einem sagenumwobenen Schatz erzählt hatte,
der in einer uralten Ruinenstadt an der Ostküste Kenias versteckt liegen soll.
Auch mir berichtete Yussuf von dieser Schatzlegende: Um 1870 sollen zwölf Schiffe von
Arabien in See gestochen sein, beladen mit Tuchwaren, Weihrauch und 100 Holzfässern,
gefüllt mit Gold- und Silbermünzen zum Kauf von Sklaven in Ost- und Zentralafrika. Kurs:
Sansibar. Vor Kenias Küste geriet die Dhauflotte in schweren Sturm und zerschellte an Rif-
fen und Brandungsfelsen. Nur zwei Schiffe entkamen der Katastrophe, auf ihnen befanden
sich die wertvollen Fässer, die nun zu einer geheimnisumwitterten Stadt namens Gedi an
der ostafrikanischen Küste gebracht wurden. Anschließend segelten die Überlebenden des
Schiffbruchs mit ihren Dhaus weiter nach Sansibar. Ihr Plan war es, die versteckten Fässer
zu einem späteren Zeitpunkt auszugraben, um die Münzen unter sich aufzuteilen. Doch auf
Sansibar angekommen, wurden sie auf Befehl von Tippu-Tip hingerichtet, sodass die kost-
baren Fässer bis heute unentdeckt blieben und noch immer tief vergraben in der Stadt Gedi
liegen sollen, die wohl in vorchristlicher Zeit durch Bantu-Völker gegründet wurde. Später,
im Jahr 1100, landeten arabische Händler mit ihren Dhaus an der kenianischen Küste und
bauten die Handelsniederlassung zu einer prachtvollen Stadt aus, die zwischen dem 15.
und 17. Jahrhundert intensive Handelsverbindungen mit Venedig, Persien, Indien und Ch-
ina unterhielt. So war Gedi nicht nur reich an Gewürzen und wertvollen Hölzern, sondern
auch an Gold, Edelsteinen und Elfenbein.
Kaum vorstellbar ist auch die Tatsache, dass die Portugiesen im 16. Jahrhundert in ihrem
Stützpunkt Malindi keinerlei Kenntnisse von der Existenz Gedis hatten. Dabei trennte sie
nur fünfzehn Kilometer dichtester Urwald von der arabischen Festungsstadt, die durch ein-
en versteckten Zugang zum Meer erreichbar war. So blieb Gedi mehr als 100 Jahre völlig
unentdeckt von den Europäern, ehe die Stadt zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgegeben
wurde. Man vermutet, dass die Überfälle des Galla-Oromo-Stammes schuld daran waren,
der jahrhundertelang den Küstenstreifen Ostafrikas kontrollierte. Als später die Somali und
Massai die Oromo verdrängten, versank Gedi hinter dem grünen Vorhang des Dschungels.
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