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Promenade. Der eigentliche Kanal erschien mir schmal. Was sind 100 Meter, wenn unend-
liche Wüste hinter einem liegt. Auf der Böschung des Kanals, im Schatten der Bäume auf
grünem Gras streckte ich mich aus. Ich betrachtete die Schiffe, die im Konvoi vorbeizogen.
Schiffe aller Länder. Schiffe allen Kalibers. Ich war fasziniert. Etwa sechs Stunden zogen
sie in Richtung Nord, dann, nach einer Pause, zog ein neuer Konvoi vom Norden kommend
vorbei nach Süden. Abends überflutete Licht den Kanal, und das Erlebnis mit unzähligen
Frachtern, Tankern und undefinierbaren Schwimmfahrzeugen ging weiter.
Regungslos beobachtete ich das und träumte. Wahrscheinlich schon von Indien, wo ich
nun bald sein wollte. Oder von zu Hause, wo meine Mutter Kühe melkte, mein Vater zum
Messer griff, um ein Schwein abzustechen, und mit der Hand Blut rührte, damit es nicht
gerann, wo mein Bruder Elektrokabel verlegte und Lampen montierte, wo meine Freunde
an der Fernstraße fünf in Mecklenburg standen, um die neuesten Westautos anzuschauen,
und die Mädchen im Oktober ihre Mäntel rausholten, um an irgendwelchen Ecken her-
umzustehen, meist nicht weit entfernt von den Jungen. War meine Freundin Anne auch
dabei?
Diese Kanalpassage zu erleben war für mich das Allerschönste in Ägypten. Schöner als
die Touristenattraktionen Alexandria, Pyramiden, Sphinx, Nil. All die Nationalflaggen der
Schiffe und die unterschiedlichen Embleme auf den Schornsteinen. Großartig.
Yussouf kannte alle Reedereiflaggen, die Nationalflaggen, die Schiffstypen. Hatte ich ein
Frage, beantwortete er sie auf Deutsch. Yussouf, ein Ägypter, der noch vor dem Krieg in
Hamburg eine Ausbildung zum Reedereikaufmann gemacht hatte, hatte ein Herz für mich.
Und eine Hütte, ganz für mich allein - völlig ungestört, nur wenige Schritte vom Kanal
entfernt. Hamburg hat ihm offenbar gefallen. Glück gehört zum Reisen. Als Zugabe befand
sich auf der Rückseite der Hütte eine Küche samt Köchin.
Vierzehn Tage hielt ich es am Golf von Suez aus. Schiffe gucken, Bohnen, Linsen, Reis,
Eier essend. (Essen war wichtig, aber nicht das Wichtigste.) Mit Yussouf und seiner Fam-
ilie auf der Balustrade seines Hauses bei einem Glas Wasser mit Eiswürfeln im milden
Abendlicht sitzen. Nur dasitzen. Entspannt dasitzen und seinen Kindern zuschauen, wie sie
spielten, stritten, sangen.
Die schwarzen Augen der Köchin auf mich gerichtet, fiel mir der Abschied von Port
Tawfik schwer. Sehr schwer.
160 Kilometer weiter nördlich, entlang des Kanals, erreichte ich Port Said. Die Stadt der
Schiffe. Hier buchte ich eine Schiffskarte (Deckplatz) nach Beirut.
Eine Nachtfahrt übers Meer, und ich war in Beirut. Im Libanon. Europa, Afrika und jetzt
Asien. Bergig, schön, gepflegt und praktisch. Der Tag war noch nicht rum, da hatte ich mit
dem Verlegen von elektrischen Leitungen in einem Haus schon eine Handvoll libanesische
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