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Gewiss: Es kribbelte mächtig, aber andererseits ließ ich nicht einmal ein Mädchen
zurück. Ich schmierte für den ersten Seetag belegte Brote, kaufte Getränke, legte Bändsel
bereit, notierte Kurse und Leuchtfeuerkennungen auf einen Spickzettel. All das war not-
wendig, da ich das Boot nicht sich selbst überlassen konnte. Es hatte keine Selbst-
steuereigenschaften. An der Pinne sitzen und Kurs halten waren meine Aufgabe.
Viel Respekt war vorhanden und viel Sehnsucht. Das Ungewisse lockte. Ängste? Nein,
die kamen erst mit der Erfahrung. Noch wusste ich nicht, dass Ablegen nicht immer
Ankommen bedeutet.
Navigationsprobleme machten meine Reise spannend. Das Auffinden von Atollen zum
Beispiel. Die absolute Schönheit dieser nach Wochen auf See aus dem Meer steigenden
Palmen-Inselchen. Erst zeigen sich die Kronen, dann die Stämme und schließlich der Sand,
auf dem sie wachsen. Das ist Faszination pur im doppelten Sinne. Die Atolle überhaupt ge-
funden zu haben und dann dieser Anblick. Nichts an Landmarken, Felseninseln und großen
Kaps kommt den Atollen gleich. Ist man einmal in der Lagune vor Anker, ist man im
Schutz des Riffs und der Motus in völliger Sicherheit. Kaum vorstellbar, 200 Meter vor
dem Bug tobt die See und ums Boot kräuseln sich die Wellchen auf türkisblauem Wasser.
Das macht süchtig. Atollsüchtig.
Ich fühlte mich intuitiv zu Hause an Bord. Vom ersten Tag an - nachdem ich das Mittel-
meer durch die Straße von Gibraltar hinter mir gelassen hatte - war ich begeisterter Allein-
segler. Dabei gab es drei Faktoren, die die Fahrt mühsam machten, aber zugleich immens
wichtig waren. Ein undichtes Holzboot, alte, schlechte Segel, Sorge um meine Ortsbestim-
mung (das war noch die GPS-lose Zeit). Alles Dinge, die man sich heute schwer vorstellen
kann, aber sie waren mein täglich Brot.
20 Monate nach dem Start in Alicante war die Weltumseglung via Tahiti und Kap der
Guten Hoffnung in Hamburg zu Ende. Ich war der erste deutsche Alleinweltumsegler. Ich
war glückselig. Ich riss die Arme hoch - für alle. Es war himmlisch auf der Elbe. Viele
begleitende Boote, Hubschrauber in der Luft, Empfänge in den Häfen. Die KATHENA auf
dem Wasser inmitten des Beifalls und der Begeisterung der Menschen in Cuxhaven, Glück-
stadt, Hamburg. Dabei kam ich unangemeldet. Keiner wusste von meiner Fahrt. Besser
hätte ein Eventmanager die Organisation meiner Ankunft auch nicht hinkriegen können,
als ich es bewerkstelligt habe - ohne Wissen und Erfahrung im Umgang mit Segelvereinen
und Journalisten.
Erst mit der Einklarierung auf Helgoland, dem ersten deutschen Hafen, wurde die Öf-
fentlichkeit auf mich aufmerksam.
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