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einem kleinen, reinen Segelboot ohne technische Finessen reiste, hat mir viel Anerkennung
im Osten gebracht.
Moser Wenn du so vom Unterwegssein schwärmst, bekomme ich richtig Aufbruchlust.
Erdmann Sag mal, Achill, gibt es einen Moment während deiner Wüstenreisen, den du
besonders schätzt, der dir viel bedeutet?
Moser Da fällt mir sofort Ägyptens Wüste Sinai ein, wo ich viele Male unterwegs war.
Auf einer dieser Reisen, zusammen mit meinem damals vierzehnjährigen Sohn Aaron, ver-
brachten wir eine Nacht ganz allein in Schlafsäcken unter freiem Himmel auf dem Gip-
fel des Mosesberges. Mitten in der Nacht stand Aaron plötzlich auf, trat an den Rand ein-
er Steilwand und streckte seine Arme aus. Er konnte das millionenfache Leuchten des
Sternenhimmels kaum fassen und sagte: »Weißt du, Papa, hier oben ist es noch viel stiller
als still.« Ein wunderbarer Augenblick, für den ich sehr dankbar bin. Ich glaube, das kannst
du gut nachvollziehen, oder?
Erdmann Und ob. Aber ich hatte einen ganz anderen Moment, den ich nicht vergessen
werde. Es war der 135. Seetag meiner ersten Nonstop-Reise. Im Zwielicht des Morgens,
bei Nieselregen und folglich schlechter Sicht wäre es beinahe passiert. Fast wäre ich auf
einer winzigen Felseninsel gestrandet, die nördlich von Macquarie liegt. Ich war zwar auf
Deckwache, musste aber kurz auf die Toilette unter Deck, und als ich wieder bereit war, la-
gen die Felsen Judge and Clerk gute 100 Meter vierkant vor dem Bug. Es herrschte ein or-
dentlicher Wellengang, und ich dachte, was ist das bloß wieder für eine See, als ich erkan-
nte, dass die Wellen sich immer an derselben Stelle brachen. Das gibt es doch nicht, die
können uns umdrehen, dachte ich noch … Oh, da sind ja Steine. Mannomann, alles ging
dann rasend schnell. Sie sprangen uns förmlich an, so schnell kamen sie näher. Ich hechtete
über Deck an die Segel und an die Pinne. Mit etwas mehr als einer Bootslänge Abstand
schrammte ich an den Steinen vorbei. Das war knapp. Ich holte tief Luft und sah, dass auf
diesen Felsen kein Überleben möglich gewesen wäre. Es war nur blank gewaschener Stein
und etwa 20 Meter hoch. Davongekommen zu sein, gab mir fortan Kraft und Freude in krit-
ischen Wettersituationen.
Moser Du sprichst von Kraft. Da muss ich an Chinas Westen denken, wo ich in den
1980er Jahren viel Kraft gelassen habe, als ich zu Fuß und per Rucksack 700 Kilometer
durch die Wüste Gobi wanderte. Eine Tour, die mir meine Grenzen aufgezeigt hat. Ich
habe eine wahre Wechseldusche der Gefühle erlebt: Tage voller irrer Glücksvisionen, dann
wieder abgrundtiefe Ängste. Oft habe ich bitterlich geweint, weil ich das Auf-mich-selbst-
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