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mit dem Wasser aufnehmen? Ich erinnere mich an eine Floßfahrt auf dem Mackenzie River
in Kanada. Das war doch bestimmt auch wild und rau. Was waren damals deine Beweg-
gründe?
Moser Neben den Wüsten hat es mich immer mal wieder aufs Wasser gezogen. Ich bin im
Kielwasser des Odysseus und der Wikinger gesegelt. Allerdings nicht so spektakulär wie
du. Vor allem reizten mich aber immer mal wieder die Flüsse: Nil, Niger, Jangtsekiang und
natürlich im Norden Kanadas der große Mackenzie River. Er ist der einsamste unter den
großen Strömen der Erde. 1600 Kilometer vom großen Sklavensee bis zum Eismeer.
Erdmann Toll. Großartig. Die jungen Jahre zu genießen, zu experimentieren und so viel
wie möglich in der freien Natur zu leben. Bevor man in der Verspießerung landet.
Moser Ja, wir waren damals zu dritt und bauten über einen Zeitraum von drei Wochen
ein Holzfloß aus Baumstämmen, das 28 Quadratmeter groß war. Alle Arbeiten haben wir
per Hand ausgeführt. Mit Bügelsäge, Axt und Hammer. Es war die Erfüllung eines großen
Traums. Schon immer wollte ich mal so ein Abenteuer wie Huckleberry Finn erleben und
einen großen Fluss im Norden Amerikas hinabschippern. 54 Tage waren wir dann auf
dem Mackenzie River quer durch die Einsamkeit Nordamerikas unterwegs. Herrlich war's.
Wildnis pur. Riesige Wälder mit Bären und Wölfen. Noch heute kann ich mich für Flüsse
begeistern, sie sind für mich so eine Art »Sinnbild der Bewegung«. - Hast du auf deinem
Sommertörn durch die Ostsee nicht auch mit deiner Segeljolle einige Flussläufe kennengel-
ernt?
Erdmann Mein Sommertörn durch Mecklenburg-Vorpommern ist kein Vergleich zum
Mackenzie. Du hattest reißende Stromschnellen und manchmal heftigen Wind im Segel,
ich hatte still fließende Flüsschen, Kanäle und absolut stille Seen. Das war im Jahr nach
dem Mauerfall. Die Bewohner schienen irgendwie unentwegt auf Reisen zu sein. Verständ-
lich nach Jahren, in denen man eingemauert war. Jedenfalls war der Sommer der Verein-
igung sehr spannend. Komm, lass uns einen roten Holundersaft bestellen. Der ist hier im
Fährhaus hausgemacht und erinnert mich sehr an meine Jollenreise. Alles schien dort auch
hausgemacht. Das Essen, die Früchte, der Schnaps, die Boote, die Segelvereine. Das Leben
im Osten war bis zum Mauerfall sehr bodenständig. Man hatte Gemüsegärten, ein Haussch-
wein, Hühner sowieso. Der Natur ist das gut bekommen. Auf meiner Route wucherte sie
wild vor sich hin. Der Sozialismus hat der Natur viel gegönnt. Auch für meine Gesund-
heit war es eine Supertour. Mangels Motor und mangels Wind musste ich auf den Kanälen
häufig stundenlang das Vorankommen mit einem Stechpaddel unterstützen. Dass ich mit
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