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dem eigenen Blickwinkel, sondern mit Kinderaugen zu betrachten. Als unser Reisegefährte
ließ er sich voller Vertrauen auf alles Neue ein. Immer.
Nach einigen Eingewöhnungsmonaten lebten wir unseren Traum. Wir hatten schon Wale
und Delfine gesehen, hatten frisch gefangenen Fisch am Strand geröstet und einen Hai
gefangen. Unvergesslich: Melanesische Kinder hatten Kym auf ihre schmalen Schultern
genommen, um ihn übers scharfe Riff zu tragen. Seine Welt waren nunmehr Frauen in
Baströcken, Kanupaddler, Muscheln auf dem Grund und Gischt im Gesicht.
Hier war Blondschopf Kym der Star. Er liebte es, wenn ihm ältere Mädchen und Frauen
übers Haar strichen, seine helle Haut berührten und mehr noch ihm Essbares in die Hand
drückten.
Der Blondschopf lernte alles zu essen: Kasava (Wurzeln), Fische, Fledermäuse, Chili,
Süßkartoffeln. Er lernte auch Insekten (Moskitos beispielsweise), Kakerlaken, Vögel und
Fische kennen. Fische vor allem. Haken, Schnur und etwas Essbares eingepackt, und er war
für den Rest des Tages beschäftigt. Er besaß die Unbefangenheit, alle Tiere vorurteilsfrei
anfassen zu wollen. Aber nur so lange, bis ihm eine Kokosnusskrabbe mit ihren Zangen
einen Finger quetschte. Das muss wehgetan haben, denn auf »die Dinger« ging er später
mit der Machete los. Im Sand bestaunte er Ameisenstraßen. Im Flachwasser räumte er am
liebsten Steine zur Seite, um zu sehen, was darunter lebt. Wir erlaubten ihm gleich den
Umgang mit Messer und Machete und anderen Werkzeugen. Mit dem scharfen Buschmess-
er ging er gern auf »Jagd«.
Das Schönste aber waren für ihn die Spiele. Die Spiele in der Natur, mit dem, was die
Natur hergab: Treibholz, Steine, Muscheln. Und vor allem Kanus. Mit denen konnte er
(anders als mit unserem behäbigen Schlauchboot) im Slalom zwischen den Pfahlhütten
hindurchpaddeln. Am besten gefiel ihm aber der Umgang mit selbstgebauten Booten. Aus
dem Busch holte er sich trockene Kokosnüsse, halbierte sie und bastelte aus den Schalen
Bötchen. Als Segel dienten große Blätter. Mit diesen unförmigen Dingern segelte er seine
eigenen Regatten. Täglich stand er so lange im Wasser, bis jedes seiner fünf bis sechs Boote
ein Mal gewonnen hatte. Sport wurde ebenfalls nicht vernachlässigt: Vor allem liebte er
Schwimmen und Rudern. Allein das Klettern aus der Kajüte an Deck, weiter ins Dingi und
wieder zurück an Deck war für den Dreikäsehoch immer eine - sehr gesunde - Kraftan-
strengung.
Von Anfang an war uns klar, dass Fahrtensegeln für ein Kind wundervoll sein muss. Statt
Fernsehen und Bonbons gab's jeden Tag neue Erlebnisse. Auch auf See war ja selten ein
Tag wie der andere. Nebenher lernte er speziell im letzten Jahr mit Astrids Anweisungen
das Segeln. Wenden fahren, steuern, Segelstellungen einschätzen, Segel bergen, Knoten
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