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Ich erfreute mich an den Rippeln und Fließfiguren des Sandes und genoss die völlige
Unabhängigkeit des Unterwegsseins in einem schier grenzenlosen Raum.
Zu Fuß und mit Kamelen konnte ich gehen, wohin ich wollte, musste keiner Straße oder
Piste folgen, konnte einfach querfeldein laufen, meinem Kurs folgen, soweit die landschaft-
lichen Gegebenheiten es zuließen. Alles, was ich brauchte, war Wasser und Proviant. An-
sonsten war ich frei. Ein herrliches Gefühl, so selbstbestimmt unterwegs zu sein! Hier gab
es niemanden, der mir Vorgaben machte oder mir reinredete. Ich war mein eigener Kapitän
im Ozean der Wüste und wählte meinen Weg ganz allein, musste mich nur nach dem Wet-
ter und der Landschaft ausrichten.
Die Wüste Badain Jaran besteht zu 80 Prozent aus Wanderdünen. Viele windmodellierte
Sandhügel sind bis zu 200 oder 300 Meter hoch. Und im westlichen Teil der Wüste befindet
sich der Biluthu, mit 520 Metern der höchste Sandberg der Erde. Nicht zu vergessen die
etwa 140 Salzseen, die inmitten dieser hohen Dünen liegen. Einige gelten den Mongolen
als heilig, sodass an den Ufern lamaistische Klöster entstanden. Das Wasser der Seen ist
allerdings weitgehend salzig und ihr Mineralgehalt hoch. Nur an den äußersten Rändern
einiger Seebecken tritt trinkbares Süßwasser aus tiefergelegenen Quellen hervor.
Und dann, am 17. Tag, kam jener Wahnsinnssturm, der den Himmel verfinsterte und mich
zwang, hinter meinen niedersitzenden Kamelen Schutz zu suchen. Einer dieser Kara-
Buran-Stürme, der alle Konturen und Distanzen auslöschte, die Farbe des Himmels ver-
dunkelte und eine Decke der Düsternis über das Land warf, während die Atmosphäre zum
Bersten mit Elektrizität geladen war. Ein Aufruhr der Natur - wild, unbändig, zügellos.
Wenn ich nur das Biwak hätte aufbauen können, doch daran war gar nicht zu denken. Die
flatternden Zeltbahnen wären mir sofort aus den Händen gerissen worden und davongeflo-
gen. Ich selbst konnte mich ja bei diesem Sturm nicht mal auf den Beinen halten. Auch sah
ich nichts - zu dicht wirbelten Staub und Sand ringsumher. Der Sturm tobte, als ginge die
Welt unter.
Natürlich wünschte ich, dass bald alles vorbei sein würde und ich auf meinem Schlafsack
liegen könnte, um neue Kräfte zu sammeln, die ich für den weiteren Weg brauchte. Doch
es hatte keinen Sinn, sich jetzt verrückt zu machen. Dadurch würde das Getöse des Sturms
keine Minute früher aufhören.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so geduckt hinter meinen Kamelen lag,
eingeschlossen von dunkelgrauen Gischtwogen aus wirbelndem Staub und Sand. Doch ir-
gendwann bereitete mir das gekrümmte Liegen im lärmenden Sturm ziemliche Rücken-
schmerzen. Meine Muskeln hatten sich völlig verkrampft, und jede Bewegung tat weh.
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