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Auch ich konnte den Schutz der Götter für meine Reise gut gebrauchen, als ich Anfang
März in die Wüste aufbrach, wo die Temperatur tagsüber nur selten höher als 25 Grad
Celsius stieg und nachts bis auf 10 Grad absank. Kein Vergleich zu den extremen Sommer-
monaten, in denen die Temperatur über 45 Grad erreicht. Wenn dann die enorme Sonnen-
strahlung auch zur Aufheizung erdbodennaher Luftschichten führt, kommt es vielerorts zu
gefährlichen Luftspiegelungen, die Schein und Wirklichkeit verschwimmen lassen.
Nach tagelanger Suche hatte mir ein uigurischer Viehhändler für einen stolzen Preis
zwei Kamele für einen Monat überlassen. In dieser Zeit wollte ich durch die Wüste Badai
Jaran ziehen und bis Minqin am Rand der Tengger-Wüste kommen. Von Minqin sollten
die Kamele im Lkw zu ihrem Ausgangspunkt zurückgebracht werden, während ich meine
Reise zu Fuß fortsetzen wollte.
Sieben Tage hatte ich mich mit den Kamelen vertraut gemacht, ehe ich aufbrach. Er-
fahrungen mit den Wüstenschiffen hatte ich in vielen Teilen der Welt schon zur Genüge
gesammelt. Dennoch: Asiens Kamele sind eine Spezies für sich - äußerst stolz und ar-
rogant, manchmal schlitzohrig, oft bockig und widerspenstig. Auf früheren Reisen hatten
sie mich mehr als einmal aus dem Sattel befördert. Doch diesmal hatte ich zugänglichere
Tiere ausgesucht, die mit großem Gleichmut von morgens bis abends meinen Hausstand
durch die Wüste schleppten: Zelt, Isoliermatte, Schlafsack, warme Kleidung, eine Daunen-
jacke für die kalten Nächte, Fotoausrüstung, Kocher, Essgeschirr und natürlich Proviant.
Ich hatte eine Menge Müsli dabei - sowie Salami, Corned Beef, Bohnen, Tomaten, Reis,
Nudeln, Zwiebeln, Milchpulver, Traubenzucker, Marmelade und Obst. Ein Drittel der
Lasten waren Kraftfutter für die Tiere und reichlich Wasservorräte.
In den ersten zwei Wochen kam ich gut voran, zog mit den Kamelen durch wegloses
Terrain und wechselte oft zwischen Reiten und Laufen ab, um die Kräfte der Kamele und
meinen Hintern zu schonen. Denn das Reiten im Kamelsattel ist wie ein Torkeln auf hoher
See, bei dem ich hin und wieder gegen den vorderen und hinteren Sattelknauf rutsche und
mir Weichteile sowie die Verlängerung des Rückens quetsche.
Chinas Ödnis, die ich nicht mit modernster Navigationstechnik bereiste, sondern nur
mit Kompass und Karte, verlangte jeden Tag ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich ließ mir viel
Zeit, denn bei großen Wüstendistanzen können sich leicht Fehler in die Kompasstraverse
einschleichen. Und auch die Landschaft forderte all meine Konzentration und Wachheit.
Mal ging es über wellige Geröllflächen, die mit windgeschliffenen Felsparcours wechsel-
ten. Dann wieder zwangen mich breite, ausgetrocknete Flusstäler zu Umwegen. Ein an-
deres Mal ritt ich über borkigen Verwitterungsschutt, der unter den tellergroßen Polster-
hufen meiner Kamele wie Blätterteig auseinanderbrach. Und immer wieder Sand, so weit
das Auge reichte.
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