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Das war wie Sandsackboxen. Nicht kritisch, aber wahnsinnig nass. KATHENA NUI kam alle
paar Minuten völlig zum Stillstand. Die enormen Wellen, die gegen sie standen, nahmen
alle Fahrt aus dem Schiff. Der Bug bohrte sich in die Welle, und ich hatte den Eindruck, sie
drückten uns gar ein Stück zurück. Ich notierte:
Sonntag, 3. Dez. - 112. Tag. Die Sonne scheint. Etwas. Das Deck ist stellenweise trocken.
Um etwas für meine Moral zu tun, fasse ich den Entschluss, mich zu ordnen. Sorgfältig
reibe ich mein Gesicht trocken, suche neue Wäsche raus, esse eine Schüssel Porridge.
Meine Kajüte ist ein Chaos. Überall liegen Papier, Gerümpel, Kleidung. Eine geöffnete
Dose Früchte hat den Kocher ertränkt. Und draußen? Diese Wellenberge deprimieren.
Kurs und Speed vom Schlechtesten. Bin trotzdem guter Sonntagsstimmung. Gieße mir noch
einen Becher Pulverkaffee auf. Hocke damit auf meinem angestammten Platz unten vor
dem Kartentisch und träume so vor mich hin. Verliere mich in einem Vakuum des Nichts-
tuns. Bis, ja, bis es wieder auffrischt. 16 Uhr, Nordwest 7 bis 8. Jeder Sturm beginnt aus
der Ecke, Nordwest. Mein erster Blick gilt dem Barometer - gefallen! Und der Druck fällt
weiter. In der Kajüte kann ich die Anzeige aus allen Lagen sehen. Gut oder nicht gut?
Tatsache ist: Der nächste Tiefdruckwirbel ist im Anmarsch. Der Himmel vergraut. Ein-
heitlich matschig grau. Nieselregen. Nach dem Wind steht bald Welle. Völlig irreal meine
Situation. Noch vor Stunden frische Wäsche mit »Hausgeruch«, jetzt in Allwetterkleidung -
vom Langschäfter bis zum Südwester -, umgeben von einer graumilchigen See. Ein akzept-
abler Kurs ist nicht möglich. Wind - vierkant von vorn. Es ist zum Mäusemelken.
Ganze 125 Seemeilen war ich in fünf Tagen vorangekommen. Der Zickzackkurs hatte was
von Rumkarriolen. Was mich zermürbte, war, dass kein Wind länger als vier bis sechs Stun-
den die Richtung hielt. Festgeklammert an der Maststütze, nahm ich zur Kenntnis, dass der
Luftdruck erneut stetig fiel.
Wie sollte das enden? Eine Nacht im Stehen und eine zuvor, sporadisch dösend, hatte
ich schon hinter mich gebracht. Und jetzt zeichnete sich eine weitere Nacht ohne Ruhe ab.
Der Druck fiel wie verrückt. Stunden später war es mit meiner Contenance vorbei. Eine
fürchterliche Front zog auf, außerdem stand der alte Seegang hoch und steil. Die Seen
legten uns 45 Grad auf die Seite. Dauerschräglage war ich inzwischen gewohnt, doch ich
fühlte, dass es diesmal schlimmer kommen könnte. Ich blickte durch die Fenster in Luv.
Sturzseen landeten hart und nass an Deck. Ich musste etwas tun. Schnell rutschte ich durchs
Klappluk an Deck, barg den Rest Sturmfock und schlug die O-Fock ans Stag. O steht
für Orkan. Das orangefarbene Segel hat ganze zweidreiviertel Quadratmeter. Doch gesetzt
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