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habe ich es nicht. Ich ging nämlich vor kahlem Mast (ohne Segel) auf Ablaufkurs (in die
falsche Richtung).
Die See war erstmals auf dieser Polarroute teuflisch. Urplötzlich packten die Kämme
wie Tatzen eines Urtiers das Schiff, schmissen es förmlich in das nächste Wellental. Alles
geschah ohne Vorwarnung. Nicht wie üblich, wo eine oder zwei ungewöhnlich hohe Wel-
len einer Monsterwelle vorauslaufen. Es waren vor allem die langen Wellen mit sich über-
stürzenden Kämmen, mit steilen Abbrüchen, die mir Muffensausen bereiteten. Wieder
unter Deck, schlug ich das Logtagebuch auf:
Montag, 4. Dez. - 113. Tag, 15 Uhr. Löcher. (See)Berge. Schaum. Ich habe es mit Gewal-
ten zu tun wie nie zuvor. Einige Seen laufen mit einer Wucht an, als wollten sie uns ver-
schlingen. Wie gelähmt schaue ich durchs Bullauge, das nach achtern geht. Wie sieht die
nächste Periode aus? Wird sie uns zuschütten? Wird vor allem die Aries Kurs halten ? Sie
segelt mich und das gut getrimmte Boot. Ich entwickle U-Boot-Gefühle. Hohle Wellen, die
uns treffen, klingen wie Wasserbomben im Krieg. Es rumpelt unterm Achterschiff wie nach
einer Explosion. Die Wellen schlagen gegen den Rumpf, dann dauert es einen Moment, bis
sie explodieren.
Dies hatte mit Segeln nicht viel zu tun. Es standen ja auch keine Segel. Nicht mal ein
Minifetzen. Ich notierte im Stehen am Kartentisch weiter:
Das Leben in der Kajüte ist dunkel. Ein Petroleumlicht brennt vorsichtshalber nicht. Es
könnte bei einer Kenterung Feuer verursachen. Das Leben ist aber auch ein einziges Ab-
stemmen, Auffangen und Festhalten. Irgendwann kann ich mich nicht mehr halten, die Knie
schmerzen, meine Arme machen schlapp. Ich verhole mich auf den Boden, wo ich gleich
zweimal mit dem Rücken gegen irgendwelche Kanten pralle. Habe jegliche Kraft verloren.
Egal. Ich müsste an Deck und selbst steuern. Die See schlägt uns fürchterlich. In der Ferne
krachen die Wellen, als wollten sie uns verhackstücken. Kann mich nicht überwinden, an
Deck zu gehen und die Pinne zu übernehmen. Durst? Interessiert nicht sonderlich. Aber
Hunger meldet sich. Mir reicht ein Erdnussbutter-Knäcke.
Später schrieb ich weiter:
Mit der Dunkelheit ist es Orkan. Unterm Achterschiff explodiert wieder eine von diesen
Seen, als hätte sie zu viel Luft geschluckt. Was meines Wissens die härteste Form eines
Seeganges ist. Gang? Hier geht keine See, sie rollt und läuft. Besser wäre also von Seelauf
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