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Mit der gerefften Sturmfock hielt ich 80 Grad zum Wind und machte - vielleicht - zwei
Knoten. Bei stürmischer See ist ein Erkennen der Fahrt schwer möglich. Mein Log war
schon lange defekt. Mit diesem Sturm begann eine knappe Woche der Kaltfronten. Wir be-
fanden uns auf 46 Grad südlicher Breite und 108 Grad westlicher Länge. Und ich hatte den
Eindruck, die 40er sind schrecklicher als die 50er Breitengrade, denn die hatte ich nach
»Zeitplan« durchsegelt. Immer mit Tuch, auch wenn manchmal nur mit wenigen Quadrat-
metern. Nie wurde ich zurückgeworfen. Ein Verdienst meiner »Munition« - viele kleine
Sturmsegel.
Eine unschätzbare Hilfe war die Aries, meine mechanische Selbststeueranlage. Sie
wirkte, so am Heck festgeschraubt, unanfechtbar, kampfstark, unerschrocken. Sie war es,
die mir diese Fahrt überhaupt ermöglicht hat. Bei jedem Wetter hielt sie Kurs. Ich schrieb
in mein Logtagebuch:
Samstag, 2. Dez. - 111. Tag. Sturmböen mit 10. Handgemessene Windstärke 10, das sind
immerhin 50 Knoten. Aber es sind halt nur Böen. Zwei Minuten lang, auch mal fünf, ganz
unterschiedlich. Und noch immer steht die gereffte Sturmfock. Sie stabilisiert Boot und
Kurs. Fahrt voraus mache ich damit nicht. Das ist auch unwichtig, solange ich das Gefühl
habe, alles für die Sicherheit getan zu haben. Die Seen sehen zwar gefährlich hoch aus,
doch es fehlt ihnen das Bedrohliche, sie sind nicht steil.
Was machte ich in solchen Situationen? Nachdem der Kurs mithilfe der Aries eingestellt,
die oder das Segel getrimmt waren, verholte ich mich unter Deck. Das Niedergangsluk
wurde mit einer Talje verzurrt. War ich ausgekühlt, gab's Kaffee oder Kakao - oder beides
vermischt. Dabei genoss ich das Gefühl, überhaupt noch kochen zu können.
Natürlich verbrachte ich diese Stunden nicht im Liegen, sondern im Stehen am Nieder-
gang oder vor den Fenstern, die rundum im Aufbau angebracht sind. Beobachtete, wie
schaumiges Wasser sich über Deck und Cockpit ergoss. In diesem Sturm wurde die Plicht
nur wenige Male gefüllt und auch nur wadentief. Dieser Kurs hatte was von Luftschaukeln.
Einerseits musste ich versuchen, die Position zu halten, zum anderen durfte ich Boot, Ma-
terial und mich nicht überbeanspruchen. Es lagen ja noch 12 000 Meilen gegen den Wind
vor mir.
Bei aller Härte ging es mir noch gut. Das Boot war absolut dicht. Für die Bilge reichte
ein Schwamm. Das einzige Wasser, das sich dort sammelte, kam aus den Taschen meines
Ölzeugs.
Als sich der Samstagsturm endlich ausgetobt hatte, blieb es lange bei Westsüdwest 7.
Ich setzte ein zweifach gerefftes Groß, und weiter ging es - voll gegen die alte Sturmsee.
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