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Gleichwohl mag ich die extremen Temperaturschwankungen der Wüsten, sind sie doch
Ausdruck einer kompromisslosen Umwelt, die allen Lebewesen eine große Anpassung ab-
verlangt. Zudem sind die enormen Temperaturschwankungen das prägendste Merkmal der
Wüsten, denn sie formen das Bild der Einöde und verleihen ihr ihre bizarre Gestalt.
Vor allem in den heißen Sommermonaten habe ich in den vulkanischen Felsmassiven
der Sahara immer wieder ein Krachen und Bersten gehört, wenn gewaltige Gesteinsplatten
oder mächtige Felsblöcke plötzlich aufrissen und auseinanderbrachen. Für solche Erosion-
sprozesse sind die Kräfte der Verwitterung verantwortlich. Denn wenn ein Gesteinsblock
erst einmal einen Riss zeigt, dringt in den Nächten Feuchtigkeit ein, Mineralien quellen
auf, verschließen die vorhandenen Risse wieder und erzeugen eine enorme Sprengkraft. So
verwandeln Hitze und Kälte in großen Zeiträumen ganze Bergmassive, die schließlich zu
Trümmerlandschaften zerfallen, ehe der Wind hinzukommt und ein natürliches Sandstrahl-
gebläse das härteste Gestein zerlegt und zu feinstem Sand zerschmirgelt. Es entsteht eine
Landschaft, die eigentlich gar keine Landschaft mehr ist, sondern das Antlitz eines abweis-
enden, unnahbaren Planeten. Eine Welt, wie sie schon im 1. Buch Mose beschrieben wird:
Und die Erde war wüst und leer .
Ich liebe Sand. Er ist ein geheimnisvoller Stoff, der Endzustand aller Materie. Sand ist
weder richtig fest noch flüssig. Ein Zwitterstoff, der gleichermaßen verzaubert und große
Gefahren birgt: Sand bildet riesige Strandflächen, die wir als Badeplatz nutzen, er dient
Kindern zum Spielen in der Sandkiste und dehnt sich in den Wüsten über weite Ebenen,
wo er hohe Dünenmeere bildet. Ein Stoff zum Wohlfühlen, fein und geschmeidig, der, je
nach Region, meist aus vielfältigen Mineralien besteht, die man unter dem Mikroskop be-
trachten kann: Mal sind es transparente, milchig trübe Quarzkörper, dann wieder ist es ein
Gemenge aus Granit-, Basalt- und Flintsteinchen.
Zudem sind Sandkörner Getriebene des Windes, die sich in stechende Ungetüme ver-
wandeln können, wenn wilde Windfurien gelbe Sandbänder vor sich her treiben. Dann ver-
dichten sie sich zu einem Staub- und Sandsturm, der die Wüste im Nu zu einem aufgewühl-
ten Ozean werden lässt. Heftigste Böen peitschen lange Sandstreifen über hohe Dünen-
kämme, als würde weißer Schaum von den Wellen eines Meeres durch die Luft wirbeln.
Und dann ist da noch der gefürchtete Treibsand, in dem Mensch und Tier versinken
können, wenn die Sandkörner keinen »guten Kontakt« zueinander haben. Häufig treten
Treibsande dort auf, wo der Sand durch eine unterirdische Quelle mit Wasser gespeist wird.
Solche Stellen sind nur schwer zu erkennen, weil der sandige Boden fast immer fest wirkt.
Erst unter Druckeinfluss verhält sich der Treibsand wie eine flüssige Substanz, in der ein
Mensch rasch den Boden unter den Füßen verliert und versinkt. Da hilft auch nicht das
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