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vermeiden, indem man sich bei den Kamelen Respekt verschafft und Ungehorsam mit
spürbaren Hieben bestraft (was mir nach wie vor sehr schwer fällt).
Manche Araber gehen dabei sehr rabiat vor. Nie werde ich vergessen, mit welcher Bru-
talität einige Beduinen auf der Sinai-Halbinsel einen Kamelbullen bestraften. Damals war
ich zwischen dem Golf von Suez und dem Golf von Akaba auf den Spuren des Alten Testa-
ments unterwegs. Wir waren zu dritt - der achtzehnjährige Beduine Sajid, der sich in der
Sinai-Wüste bestens auskannte, Carsten Wulff, ein guter Freund aus Deutschland, und ich.
Eines Morgens, mitten im Wüstenland, keilte eines unserer Kamele mit den Hinterbeinen
aus. Es war ein störrischer Bulle, der mit seinen scharfen Zähnen nach uns schnappte und
niemanden an sich ranließ. Alle Versuche, das zwei Meter hohe Höckertier für die Weiter-
reise zu beladen, schlugen fehl.
Gegen Mittag näherten sich dann drei Reiter. Beduinen mit lederner Haut und dunklen
Augen, die wegen des hellen Lichts halb geschlossen waren. Sie boten uns ihre Hilfe an
und zwangen den Bullen nur wenig später mit langen Stricken zu Boden, fesselten ihn mit
Fußketten und versetzten ihm heftige Tritte und Stockschläge. Das Kamel gurgelte und
hatte Schaum vor dem Maul. Es zitterte am ganzen Körper.
»Was für ein Wahnsinn!«, schrie ich und wollte dazwischengehen. Doch die Beduinen
hielten mich zurück und behaupteten, dass es keine andere Möglichkeit gebe, um das Tier
zur Räson zu bringen. »Man muss einem Kamel zeigen, wer der Stärkere ist!«, erklärten
sie. »Wenn sich ein Kamel nicht reiten lässt, ist es in der Wüste nicht zu gebrauchen!«
Niemals habe ich diese Worte vergessen, denn für die Lebensform der Nomaden sind
Kamele die Grundlage des Überlebens. Nur wenn ihre Tiere in den ariden Weiten »funk-
tionieren«, erreicht eine Karawane auch ihr Ziel.
Gleichwohl war ich damals erschrocken über die brutale Vorgehensweise der Sinai-Be-
duinen, die aber Wirkung zeigte: Als wir dem Kamelbullen nach zwei Stunden die Fesseln
abnahmen, erhob er sich ohne feindliche Gebärde. Stattdessen zeigte er sich fügsam und
geduldig, sodass wir ihm unser Gepäck aufladen konnten, um unsere Wanderung durch die
Sinai-Wüste fortzusetzen.
All das Wissen, das ich mir in jungen Jahren über die Kamele angelesen hatte, erschien mir
allerdings völlig sinnlos, als ich in verschiedenen Wüstenregionen Afrikas von der Theorie
in die Praxis wechselte. Man hatte mir den Vorgang, ein Kamel zu ersteigen und mit dem
Tier auszureiten, als relativ einfaches Manöver geschildert. Die Wirklichkeit sah aber ganz
anders aus: Sobald ein am Boden hockendes Kamel auf seinem Rücken Druck verspürt,
versucht es aufzuspringen - egal, ob man bereits im Sattel sitzt oder nicht. So trieb mich
manches »Schiff der Wüste« fast zum Wahnsinn: Ich wurde aus dem Sattel geschüttelt, zu
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