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Boden geworfen, empört angebrüllt und durch gespreizte Beine angepinkelt, wenn ich zu
Füßen der Höckertiere im Sand lag und wie ein Rohrspatz fluchte.
Ein anderes Mal trottete ich mit einem Kamel ganz ruhig dahin, bis es sich plötzlich
mit einem Plumps hinsetzte und ich rücklings über den langen Hals zu Boden rutschte, wo
mich die großen Kamelaugen anschauten, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Zudem
torkelte ich oft in kreisenden Schwüngen auf dem hohen Höcker und schaukelte mir das
Gesäß wund, sodass ich alle Hände voll zu tun hatte, um nicht aus dem Sattel zu rutschen.
All diese Erlebnisse waren in ihrer Absurdität fast komisch. Zudem wurde mein Optim-
ismus immer wieder gedämpft, und meine Enttäuschung erreichte an manchen Tagen un-
geahnte Tiefen. Doch ich gab nicht auf - und schließlich gelang es mir mit viel Geduld und
Geschick, im Kamelsattel zu thronen, fast 2,50 Meter über dem Erdboden. Und das Kamel
ging tatsächlich mit mir dorthin, wohin ich es dirigierte.
Was für ein Augenblick, als ich im Süden Marokkos erstmals mit zwei Dromedaren -
ganz allein - hinaus in die Sahara ritt. Ich war in Hochstimmung, als ich mit den Tieren
ohne Probleme zehn Kilometer zurücklegte. Dies war für mich der Anfang einer größtmög-
lichen Unabhängigkeit in der Wüste.
Mittlerweile kann ich gelassen auf die Zeit zurückblicken, als mir beim Umgang mit
den Kamelen alle möglichen Missgeschicke passierten. Viel Zeit habe ich seither mit den
Wüstenschiffen in den Einöden verbracht und von Reise zu Reise immer etwas Neues an
ihnen entdecken können, das mich überraschte. Vor allem habe ich erkannt, dass jedes Ti-
er eine eigene, ausgeprägte Persönlichkeit besitzt Da gibt es eitle, liebenswerte, gewitzte,
nervige, boshafte, traurige, ruhige, störrische, wütende, freundliche, selbstsichere, lam-
mfromme und robuste Kamele. Auch gibt es junge, ausgemergelte und senile Tiere - sowie
würdige Damen, alte Matronen, zornige Bullen, Aristokraten und Spaßvögel.
Im Laufe der Jahre wurden die Kamele für mich viel mehr als nur ein Transportmittel.
Sie waren Begleiter und Reisegefährten, die mir immer wieder das Unterwegssein in
einsamer Ferne ermöglichten und mir zu einem naturgemäßen Leben in der Wüste ver-
halfen. Mehr noch: In den entlegensten Winkeln der Erde habe ich auf langen Wander-
ungen genügend Zeit gehabt, um das gleichmütige Wesen und den rätselhaften Charak-
ter dieser Tiere intensiv kennenzulernen. Oft habe ich in großer Einsamkeit mit meinen
Kamelen gesprochen, habe ihr Vertrauen gewonnen und ihnen beim seelenruhigen Wieder-
käuen gelauscht. Ich habe sie gestreichelt und gestriegelt, habe sie angespornt, wenn sie
schwächelten, und ich habe ihre Anspannung gespürt, wenn ich im Sandsturm ganz dicht
bei ihnen lag und sich ihre Muskeln verhärteten.
Manchmal habe ich auch zu dem einen oder andern Kamel eine Art Beziehung aufge-
baut, wenngleich ich keines jemals beim Namen genannt habe. Ihre Namen wollte ich nie
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