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Binnensee des Iran: 140 Kilometer lang und 55 Kilometer breit. Ein riesiger Steppensee
mit mehr als 100 Inseln, der von Jahr zu Jahr mehr austrocknet und schrumpft. Ursache
sind die geringen Niederschläge, das trockene Klima und der hohe Salzgehalt des Sees, der
bis zu 30 Prozent beträgt, sodass am Ufer Unmengen von Salzkristallen liegen. Zudem gibt
es hier kaum Tier- und Pflanzenarten. Gleichwohl gönnte ich mir nach tagelanger Katzen-
wäsche ein erfrischendes Bad im salzigwarmen Wasser, ehe ich den See verließ und es
weiter gen Norden ging. Ich wanderte durch ein leeres Stück Land voller kahler Felsen und
gesprenkeltem Steppengras. Nur hier und da ein paar Lehmhütten und eine stelzende Esel-
oder Kamelkarawane. Doch wenn ich auf ein grünes Tal traf (allerdings nur sehr selten),
wimmelte es dort von Schafen, die den Nomaden neben Nahrung auch Wolle für Zeltstoffe,
Kleider und Decken liefern.
Entlang einer Bergregion mit über 3000 Meter hohen Gipfeln, die von den Einheimis-
chen im Iran Kuh-e Zaki genannt wird, legte ich am Tag zwischen 20 und 30 Kilometer
zu Fuß zurück. Mühsam stieg ich über brüchige Schotterpfade, ging Stunde um Stunde
hinauf und hinunter, als ich in der Ferne auf ein paar winzige Punkte aufmerksam wurde.
Sofort griff ich zum Fernglas und sah eine kleine Eselkarawane. Stämmige Maultiere mit
Frauen im Sattel, die leuchtend grüne, rote und gelbe Kleider trugen. Feiner Staub wir-
belte zwischen den Beinen der Packtiere auf, die mit Säcken, Taschen, Ziegenbälgen und
bunten Decken beladen waren. In einem Korb hockten ein paar Hühner, die ihre Köpfe aus
dem Flechtwerk steckten. An den Schultern einer Frau war ein hölzernes Traggestell be-
festigt, in dem ein Baby lag. Kannen, Töpfe und Pfannen baumelten über dem Sattelknauf.
Alle paar Minuten verlangsamten die Esel ihr Tempo und knabberten zwischen Geröll und
Steinbrocken an buschigen Grassoden, bis einige Kinder den Lasttieren mit heftigen Stock-
hieben Beine machten.
Nicht weit dahinter trippelte eine Schaf- und Ziegenherde, angetrieben von zwei Män-
nern, vermutlich Vater und Sohn, die merkwürdig-kehlige Laute ausstießen, denen die
Nachzügler gehorchten. Die beiden Männer trugen abgenutzte Hosen und Jacken und auf
dem Kopf eine hohe Kappe, um die ein Turbantuch geschlungen war. Menschen der Berge
und des Windes, die sich nicht zur Sesshaftigkeit zwingen ließen, sondern vom Unterwegs-
sein geprägt waren. Menschen, die, getrieben von ständiger Sorge um ihr Vieh, jahrein,
jahraus durch das Land zogen, immer auf der Suche nach Wasserstellen und Weideflächen.
Ein hartes und einfaches Leben in biblischer Existenzform.
Je weiter ich auf türkischem Boden nach Norden gelangte, desto heißer und stickiger
war es. Gleichwohl kam ich gut voran, bis ich die ganze Wetterküche Kurdistans hautnah
erlebte. Erst tobten orkanartige Fallböen gegen mein Biwak, das ich die halbe Nacht
mit beiden Händen am Gestänge fest umklammert hielt. Dann entluden sich schwarze
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