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Wolkenungetüme in sintflutartigem Regen. Fast schmerzhaft peitschten mir die Tropfen
ins Gesicht und brannten auf der Haut, ehe ich unter einer überhängenden Felswand etwas
Schutz fand. Dort fühlte ich mich wie in einer wasserfallumtosten Grotte. Doch damit
nicht genug: Als die heftige Regenflut nachließ, zerschnitten wilde Blitze das tief hängende
Gewölk. Grollender Donner erschütterte die Berge, und der nächtliche Himmel erglühte in
violettem Feuerzauber.
Am nächsten Morgen, als das Unwetter sich verzogen hatte, entdeckte ich neben meinem
Biwak eine Schlange, die in eine Felsspalte floh. Entsprechend vorsichtig rollte ich mein
kleines Kunststoffhaus zusammen, denn bei den meisten Schlangen dieser Region handelt
es sich um giftiges Getier.
Welch unglaubliches Glück, als ich in einem ausgedehnten Tal einige weiße Woll- und er-
dbraune Ziegenzelte entdeckte! Ich traf auf einige Schäfer, kurdische Halbnomaden. Ein
paar magere Wachhunde sprangen mir knurrend entgegen, kläfften laut, als ich mich dem
kleinen Zeltlager näherte. Rasch war das Misstrauen der Nomaden verflogen, als ich mit
wenigen Worten von meiner Wanderung erzählte. Sie boten mir einen Platz am Lagerfeuer
an, und zu Fladenbrot und Schafskäse gab es ein buttermilchartiges Getränk. Später am
Abend wies mir Yasar, ein stattlicher und freundlicher Kurde um die 30, einen Schlaf-
platz im großen Wohnzelt zu. Unter einem gewebten Dach aus Ziegenhaar brauchte ich auf
einem weichen Lager aus übereinanderliegenden Decken nur noch meinen Schlafsack aus-
zurollen. So bequem hatte ich es schon lange nicht mehr gehabt.
Nach drei Wochen Fußmarsch erreichte ich Doğubeyazıt. Eine türkische Stadt mit Cafés,
kleinen Hotels, Einkaufsläden, Barbierstuben und Apotheken, die vor langer Zeit an einem
jahrtausendealten Karawanenpfad gegründet wurde. Bewaffnete Jandarma-Soldaten pat-
rouillierten durch die Straßen. Graubärtige Männer knieten mit weißer Andachtshaube
auf schattigen Hinterhöfen und murmelten ihre Koran-Suren. Junge Frauen mit ebenholz-
farbenen Gesichtern und bunten Kleidern machten Einkäufe, während ihre Kinder zwis-
chen Autos und Eselskarren tobten.
Nach ein paar Ruhetagen im weichen Hotelbett brach ich zum weißen Haupt des bib-
lischen Berges Ararat auf, der in assyrischen Inschriften als Urartu überliefert ist, den
die Armenier Masis nennen, die Mutter der Welt, und die Anatolier Büyük Ağri Dağı,
Berg der Schmerzen. Völlig freistehend ragt er von einem 1000 Meter hohen Plateau über
4000 Meter in den Himmel. Und mit einer Gesamthöhe von 5165 Metern ist kein Berg
im Umkreis von mehreren Kilometern machtvoller und größer. Zudem bedeckt der Arar-
at, zusammen mit dem Kleinen Ararat (Kücük Ağri Dağı, 3896 Meter), eine Fläche von
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