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wenigen Gelegenheiten bot, mit Ausländern zu sprechen, da er zu betrunken war, um nor-
mal zu reden. Seine Augen verrieten ein verzweifeltes Verlangen, zu kommunizieren, aber
sein vom Bier benebelter Geist ließ ihn im Stich. Seine Freunde nahmen meinen Arm und
deuteten auf den ruhigsten der vier.
„Er“, verkündete er mit schwingender Geste, „ist ein Inka.“ Sie fanden das extrem witzig.
Er sah tatsächlich so aus: Eine lange Adlernase und ein verkniffenes, aristokratisches,
lederfarbenes Gesicht. Der Inka lehnte sich in seinem Stuhl schwankend nach vorn, seine
Augen in relative Ferne gerichtet. Er schenkte uns ein glückliches, betrunkenes Lächeln
und winkte uns näher heran. „Ich … bin … ein Inka“, strahlte er, leicht schwankend. „Er
ist ein Inka“, grölten seine Freunde entzückt und klopften ihm auf den Rücken.
„Ja, er ist ein Inka“, stimmten wir zu. Es war eine von diesen typischen Konversationen.
Wir alle wollten uns unterhalten, aber uns fehlten die Mittel dazu. Die Peruaner schlugen
auf den Tisch und auf ihren Freund und boten uns noch mehr Bier an. „Er ist ein Inka“,
riefen sie uns nach, als wir gingen. „Es tut mir leid“, murmelte der traurig dreinblickende
Mann in sein Bier.
Guayaquil … Unabhängigkeit
„Für die Indianer war die Republik eine neue Bezeichnung für die Politik der regierenden
Klasse. Die Unabhängigkeit brachte den Indianern keine Freiheit.“
Manifest von Tiwanaka, Bolivien 1973
Als wir wieder über die Grenze nach Ecuador fuhren, stiegen wir in Guayaquil in einen an-
deren Bus um. Ecuadors größte Stadt ist einbelebter Industriehafen, dem der Charme Qui-
tos fehlt und den darumdie meisten Touristen meiden. Wir fuhren sofort weiter.
Guayaquil hat nur einmal internationale Schlagzeilen gemacht, als sich im Juli 1822
die beiden größten Revolutionäre Südamerikas einmalig trafen. Simón Bolívar, der von
Kolumbien herabgekommen war,und José de San Martín, der von Peru heraufgekommen
war, hatten zusammengenommen gerade erst die „Befreiung“ des größten Teilsdes Kontin-
ents bewerkstelligt. Nun trafen sie sich, um die Zukunft der neuerdings unabhängigen
Staaten zu besprechen. Ihre Zusammenkunft endete aber mit Meinungsverschiedenheiten
(womit sie sogleich im allgemeinen Trend der Uneinigkeit lagen, der seither für das gan-
zeunabhängige Lateinamerika galt); bald waren beide Männer von den Ländern, die sie
geschaffen hatten, tief enttäuscht.
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