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einer Bimbo in der Hand machen durfte. „Was willst du damit andeuten?“, schnaubte sie.
Wir nahmen den nächstmöglichen Bus und fuhren 20 Stunden südlich nach Arequipa. Die
Reise war ein gewaltiger Umweg: Die kürzere Hochland-Route nach Cuzco verlief durch
die Festung des Sendero Luminoso - des Leuchtenden Pfads. Das ist eine maoistische
Bewegung; ihre Strategie war ursprünglich gewesen, eine Machtbasis unter den ländlichen
Bauern aufzubauen, um schließlich die Städte zu umzingeln und zu strangulieren. Durch
eine Mischung aus echter Unterstützung und Einschüchterung kontrollierten sie das zen-
trale Hochland unmittelbar landeinwärts von Lima. Ein paar Monate zuvor hatte die Re-
gierung endlich Abimael Guzman, den Anführer des Sendero, gefangen genommen. Als
ehemaliger Professor für Kantische Philosophie war Guzman die Inspiration hinter diesem
Mix aus Terror, maoistischem Dogma und Inka-Herrschaft.
Niemand wusste, ob die Guerillas sich demnächst allmählich auflösen oder ihre Macht
demonstrieren würden, um zu beweisen, dass sie nicht am Ende waren. Wir wollten nicht
in der Nähe sein, wenn sie das taten. Deshalb mussten wir entweder Busse über Arequipa
nach Cuzco nehmen - eine Gesamtstrecke von ca. 50 Stunden - oder fliegen. Der Flug
dauerte eine Stunde und kostete 60 Dollar. Der Bus kostete 25 Dollar. „60 Dollar?“, sagte
Mark. „Ich zahle ganz sicher keine 60 Dollar.“ Dann also 50 Stunden im Bus.
Die südliche Küste war ziemlich genau wie die nördliche: Trüb, bewölkt und monoton. Wir
dösten ein, wachten auf und dösten wieder ein, während unablässig Criollo Pop dudelte,
der wie schlechte Salsa-Musik bei erhöhter Geschwindigkeit klingt. Mitten in der Nacht
öffnete ich meine Augen, um festzustellen, dass wir direkt auf dem Strand fuhren, ohne das
geringste Anzeichen einer Straße. Das war der Pan-American Highway. Auf der Landkarte
ist das die größte Straße in Nord- und Südamerika. Sie verläuft von Alaska nach Paraguay
und wird nur durch die Sümpfe der Darién Gap unterbrochen. Hier bestand sie ledig-
lich aus zwei Reifenspuren am Strand. Wir fuhren über die Nazca Linien. Diese gewalti-
gen, sehr geheimnisvollen Zeichnungen sind bis zu 200 Meter lang und erstrecken sich
über 500 Quadratkilometer Wüste. Sie stellen Affen, Vögel, Spinnen und andere Tiere dar.
Da sie nur aus der Luft vollständig sichtbar sind, spekuliert man darüber, wie und we-
shalb sie gezeichnet wurden. Ob sie gewaltige Landkarten waren? Astrologische Kalender?
Laufbahnen für rituelle Rennen? Religiöse Darstellungen, die die Götter sehen sollten?
Von Besuchern aus dem Weltallgeschaffen? Flogen die Nazca-Menschen in Heißluftbal-
lons? (Manche Darstellungen auf Nazca-Keramik scheinen Heißluftballons darzustellen.)
Es kostete 50 Dollar, um in einem kleinen Flugzeug über die Linien zu fliegen. „50 Dol-
lar?“, sagte Mark. „Ich zahle ganz sicher keine 50 Dollar.“ Wir fuhren im Bus über die
Linien. Vom Bus aus konnte man gar nichts sehen.
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