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Ich schnappte mir ein weißes T-Shirt und schwenkte es als Signal für Lionel und Pablo. Ich
wusste, dass es nur eine Routine war.
Lionel und Pablo suchten eine Weile lang die Küste ab, bevor sie aufgaben. Die Kolumbi-
aner spielten wieder Frisbee. Dann war also jemand gestorben. Ein Gringo war gestorben.
Täglich sterben Menschen. Sie hatten das alles schon einmal gesehen. Vielleicht waren sie
hier gewesen, als der letzte Mensch ertrunken war.
Die Nachricht sprach sich unter den Gringos herum; wir alle saßen geschockt da und
wussten nicht, was wir sagen sollten. Wir wollten auch nicht viel sagen.
„Wir sollten das San Pedro loswerden“, sagte Campbell. „Es ist schlechte Magie, wenn
ihr mich fragt. Jedem, der so viel San Pedro genommen hat, ist etwas zugestoßen. Mir
haben sie meine ganzen Sachen geklaut, Kim ist krank geworden - und jetzt das.“ Als der
Sonnenuntergang bevorstand, kletterten wir auf die Felsen auf der Landzunge. Melissa,
Campbell, Kim, Sandra, Phillipe, Helena und ich selbst. Die Felsen ragten rund zehn Meter
über das Wasser. Man musste etwas kraxeln, um auf den entlegensten zu gelangen; man
musste über enge Spalten zwischen den Felsbrocken springen, die das hereinströmende
Meer mit schäumender Gischt füllte und dann mit einem saugenden Rauschen wieder
entleerte. Die Flut kam; Wellen schlugen gegen die Felsen, sodass Geysire aus Gischt hoch
in die Luft sprühten - fast bis dorthin, wo wir saßen.
Wenn man hier draußen auf den Felsen der Landzunge hockte, gab es keine Täuschung;
keinen Zweifel an der Macht des Meeres. Wellen rollten gnadenlos über eine unendliche
Wasserfläche heran. Durch jede einzelne floss die grenzenlose Energie eines vernetzten
Universums - dieselbe Energie, die wir während unseres San-Pedro-Trips empfunden hat-
ten. Dagegen war ein Mensch nichts weiter als ein hilfloses Stück Treibgut. Campbell
nahm die Flasche mit dem San Pedro. Sie war immer noch dreiviertel voll. Er hielt sie einen
Augenblick in der Hand. Dann stand er auf und schleuderte sie so weit ins Meer hinaus wie
er konnte. Sie landete mit einem winzigen Platschen tief unter uns und verschwand. Camp-
bell starrte ihr ein paar Sekunden hinterher. „Es ist ein trauriger Tag“, sagte er. „Jetzt ist
Mark wirklich der Fischjunge“, sagte Sandra. Wir saßen still da, jeder dachte seine eigenen
Gedanken. Melissa blickte zum Horizont hinaus. „Das Meer sieht wunderschön aus, wenn
es einen umgebracht hat.“ Sie sprach leise, wie zu sich selbst.
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