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bemerkte ich neben mir einen Mann mittleren Alters mit silbernem Haar. Er schielte nervös
zu mir hinüber und zitterte ständig mit einem Nasenflügel.
„Ich liebe wilde Orte“, sagte ich, als wäre ich eine Erklärung schuldig. Es schien ihn zu
überraschen, dass ich etwas gesagt hatte. „Ah, si, si“ , sprudelte er hervor, als ginge ihm
ein Licht auf - als hätte er eben erst entdeckt, warum er selbst dort stand. Er breitete seine
Arme aus, um die Aussicht zu würdigen. „Ich liebe die Natur auch.“ Er schielte verstehend
zu mir herüber, als hätte er einen Code geknackt, und zuckte wieder mit dem Nasenflügel.
Nun erinnerte ich mich wieder daran, wo ich ihn gesehen hatte. Er war der Koksdealer
vom Miramar. Er war wie immer einwandfrei gekleidet und stand wahrscheinlich nicht an
diesem windigen, verlassenen Ort, nur weil er die Natur so liebte. Ich hatte das Gefühl, ich
sollte ihn seinem Geschäft nachgehen lassen, und machte mich auf den Rückweg. Der sil-
berhaarige Koksdealer wirkte irritiert. Er hatte meinen geheimen Code geknackt, aber ich
hatte trotzdem nichts gekauft.
Ich spazierte ins Camp zurück. Weder Melissa noch Mark waren da. Ein Vogel hockte völ-
lig bewegungslos, den Kopf schräggestellt, auf einem Stück Feuerholz und sah mich direkt
an. „Ich weiß“, schien der Vogel zu sagen. „Du bist jetzt in unserer Welt.“ Später erschien
eine Katze.
Ich hatte in unserem Camp noch nie eine Katze gesehen, aber auch sie blieb direkt vor mir
stehen und sah mir in die Augen. „Ich weiß es auch“, sagte sie. Die anbrechende Dämmer-
ung erfüllte die Luft mit einem sanften Orange-Pink, das allmählich ins Zwielicht überging.
Der Strand erschien dadurch noch magischer. Mark, der nun wieder im Camp war, hatte
eine wissenschaftlich klingende Erklärung zur Hand.
„Im Zwielicht schaltet unser Gesichtssinn allmählich von den Zapfen der Netzhaut, mit
denen wir die Farben erkennen, zu den Stäbchen, mit denen wir nur schwarz und weiß
erkennen, die aber Umrisse deutlicher wahrnehmen. Es ist wirklich eine Zeit der visuellen
Transformation. Deswegen bekommt man dieses merkwürdige Gefühl, dass die Dinge
nicht ganz so sind, wie sie scheinen.“
Wir saßen im Mondlicht am ausglühenden Feuer. Unsere Gedanken drifteten in die Nacht;
wir lauschten den Wellen und den Tieren und den Menschen um uns her, bis schließlich
auch das San Pedro nachließ.
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