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Vierzehnter Tag
Die Nacht war ruhig gewesen - kein Sturm, kein Regen. Ich hatte wunderbar
geschlafen. Es war nur wenig Wasser ins Zelt eingedrungen. Ich konnte trocken ab-
bauen.
Beim Zahlen in der Gaststube erfuhr ich, was mein Begleiter vom Vortag
schlecht gefunden hatte an diesem Campingplatz: Es war der Preis.
Das Doppelte wie der Mann in Lehmbruch am Dümmer verlangte der Schiefge-
wachsene von mir. Er leckte sich die Lippen, während ein triumphierendes Grinsen
sein Gesicht entstellte, als er das Geld rasch in seiner Hosentasche verschwinden
lassen wollte. Bei diesem Anblick erwachte der Sadist in mir. Ich verlangte eine
Quittung, mit Datum, Unterschrift und allem, was dazugehört. Der Schiefgewach-
sene vernahm es mit Entsetzen. Seine Gesichtszüge entgleisten. Mit fahlem
Gesicht und erloschenen Augen starrte er mich an. Mühevoll und zögerlich holte
er das Geld wieder aus der Tasche. Vom Trennungsschmerz noch mehr gekrümmt
legte er es, jetzt mit trauriger Miene, in eine Schublade. Dann griff er mit zittrigen
Fingern nach seinem Quittungsblock und folgte meinen Anweisungen.
Nachdem ich so mein Mütchen gekühlt hatte, konnte ich mich für die Möglich-
keiten, die dieser Tag zu bieten hatte, erwärmen. Der Weg zeigte sich mir, freund-
licherweise, ohne sich lange zu verstecken. Es ging die ganze Zeit durch Wälder
und über Höhen. Die Höhen erwanderte ich meist. Ich hatte mir angewöhnt zu
schieben, sobald ich im kleinen Gang auf den Pedalen stehend kaum schneller als
ein Fußgänger vorankam.
Das schöne an Steigungen ist, dass sie irgendwann ihrer selbst überdrüssig
werden und zu einer Abfahrt mutieren, welche die Mühen des Aufstiegs vergessen
lässt. Diesen Vorgang durfte ich an diesem Tag mehrere Male hintereinander er-
leben. Auch der Himmel war nicht im geringsten weinerlich und behielt standhaft
sein schönstes Blau.
Einmal kam ich vom rechten Weg ab und wurde auf einen Wanderweg
geschickt, der sich als sehr viel besser befahrbar erwies als der kiesbedeckte Rad-
weg. Die Götter meinten es heute besonders gut. Sie schickten mir zu allem Über-
fluss auch noch einen leichten Rückenwind, sodass ich zwar innerlich jubelnd,
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