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Siebter Tag
Früh um sieben Uhr stand ich auf. Ich brauchte unbedingt einen neuen Fotoap-
parat.
Die Sonne meinte es heute besonders gut. Sie füllte die leeren, sauberen
Straßen mit ihrem gleißenden Licht. An einem kleinen weißen Haus mit braunen
Fensterläden blühten rote Geranien in den Blumenkästen unter den winzigen vier-
geteilten Fenstern. Vor dem türkischen Café saß ein einzelner Mann mit grauem
Schnauzbart. Er hatte seinen Stuhl gegen die Wand gekippt und schlief. Quer vor
ihm auf dem Tisch lag ein Spazierstock. Sein Gesicht war den nackten Schaufen-
sterpuppen zugewandt.
Der Fotoladen hatte schon geöffnet. Ich erzählte der Verkäuferin von meinem
Missgeschick und ließ mir Geräte zeigen, die meine Reisekasse nicht belasteten,
handlich waren und robust. Ich entschied mich für ein Komplett-Angebot, ein
Autofokus-Modell mit Film und lederner Gürteltasche, das sich wie ein Colt tragen
ließ.
Am Ende meiner Fahrt sollte ich feststellen, dass ich Glück im Unglück gehabt
hatte, als die Kurbel von meinem alten Apparat abgebrochen war, denn auch die
Batterie hatte versagt und der Film war unbelichtet. Möglicherweise wäre ich ohne
dieses scheinbare Pech mit einem halben Dutzend unbelichteter Filme zurück-
gekehrt. Der neue Apparat erwies sich als zuverlässig, wenn auch mit den typis-
chen Mängeln solcher Geräte behaftet, die nur das Knipsen, aber kein foto-
grafisches Gestalten zulassen.
Fünf jüngere Türken saßen jetzt gleichförmig ausgerichtet vor dem Café. Der
Schnauzbärtige mit dem Spazierstock war verschwunden.
Marburg an der Lahn war für heute vorgesehen. Eigentlich hatte mein Routen-
plan da einen Umweg geplant, denn Marburg lag im Westen, der Bodensee im
Süden. Diese Stadt aber ist einen Umweg wert.
Die Sonne wollte die Versäumnisse der letzten Tage wieder gutmachen. Sie
brannte heiß herab. Ichschützte Stirn undNasemiteinerBaseballmütze. DerLahn-
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