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die Mutation bzw. den ursächlichen Genotyp nicht trägt, dann wird er die
Krankheit nicht entwickeln.
Der prädiktive Nachweis einer Mutation bzw. eines Genotyps bei einem
gesunden Menschen bedarf der Interpretation. Dominant wirksame Mutatio-
nen können vollständig penetrant sein, d. h., sich zu 100 % phänotypisch nie-
derschlagen (Beispiel: Mutationen im Huntingtin-Gen, die zur Chorea Hunting-
ton führen), sie können aber auch eine herabgesetzte Penetranz haben, d. h.
nur in einem mehr oder weniger hohen Prozentsatz zur Krankheit führen (Bei-
spiel: Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen, die zu erblichem Brust-
/Eierstockkrebs führen). Auch der Grad bzw. das Muster der Ausprägung kann
bei Trägern einer dominant wirksamen Mutation unterschiedlich sein. Ein Bei-
spiel dafür sind Mutationen im NF1-Gen, die zu Neurofibromatose Typ I führen.
Bei dieser Krankheit entwickeln sich auf der Haut und im Nervensystem hunder-
te von Tumoren, die zwar gutartig sind, aber im Gehirn zu Störungen führen
können. Die Tumoren der Haut können kosmetisch außerordentlich unange-
nehm sein. Während der Ausschluss einer familiär nachgewiesenen Mutation
bzw. eines familiär nachgewiesenen Genotyps definitiv bedeutet, dass die Risi-
koperson nicht betroffen sein wird, hängt es von der Penetranz des betreffen-
den Genotyps ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit er sich phänotypisch manifes-
tiert.
Die prädiktive genetische Diagnostik stellt eine völlig neue Dimension der
Medizin dar. Wir müssen alle lernen, damit umzugehen. Diese Diagnostik
kommt bei einem Familienbefund in Betracht, durch den die Aufmerksamkeit
auf ein Gen bzw. eine Gruppe von Genen gelenkt wird. Der gesunde Verwandte
des von einer erblichen Krankheit betroffenen Elternteils oder Geschwisters
wird dadurch zu einer „Risikoperson“. Der Nachweis eines pathogenen Geno-
typs mit hoher Penetranz bei einem gesunden Menschen bedeutet letztlich,
dass der bisher Gesunde zu einem „gesunden Kranken“ bzw. einem „kranken
Gesunden“ gemacht wird. Wenn der Genotyp mit einer grundsätzlich behan-
delbaren Krankheit assoziiert ist, z. B. erblicher Darmkrebs oder erblicher Brust-
/Eierstockkrebs, dann sollte der oder die Betroffene sich einem strukturierten
Programm der Krebsfrüherkennung unterziehen. Bei frühzeitiger Diagnose sind
die Heilungsaussichten bei diesen Krankheiten sehr gut.
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