Travel Reference
In-Depth Information
Das Gefühl
der Metropole: Tango
Elendsviertel
Offiziell existieren allein in der Capital
Federal 21 Elendsviertel. Die meis-
ten liegen im Süden der Stadt. 2008
lebten 167.500 Bewohner in den
Slums von Buenos Aires. Im Groß-
raum der Stadt soll es nach Angaben
der Nichtregierungsorganisation Un
techo para mi pais im Oktober 2011
zusätzliche 864 villas miserias gege-
ben haben, in denen rund 500.000
Familien lebten.
„Meine Kinder sollen Tango tanzen
lernen“, sagt der Taxifahrer nach-
drücklich. Das sei eine Investition in
die Zukunft, damit könnten sie später
Geld verdienen. „Und es ist ja auch un-
ser kulturelles Erbe“, fährt er fort. Er
selbst allerdings hat sich nie mit Tan-
go beschäftigt, und er kennt auch nie-
manden, der Tango tanzt. Nur in sei-
nem Taxi, da kutschiert er häufig Tou-
risten, die wegen des Tangos nach
Buenos Aires kommen. Es scheint ihm
ein gutes Geschäft zu sein: Als Tango-
lehrer, als Musiker, als Showtänzer, ja
selbst als Eintänzer für Touristinnen
kann man sein Auskommen haben.
Kurz, das Geschäft mit dem Tango
boomt. Das war nicht immer so.
Noch Anfang der 1990er-Jahre
wussten nur Eingeweihte, wo man
in Buenos Aires Tango tanzen konn-
te. Für alle anderen war Tango be-
schränkt auf die teuren Tango-y-Ce-
na-Shows (s. S. 37), selbst Tangosou-
venirs gab es nirgendwo zu kaufen.
Dabei lebte der Tango in dieser Zeit
schon wieder auf, nachdem er in
den 1960er-, 1970er- und bis in die
1980er-Jahre hinein nahezu vollstän-
dig aus den Herzen der Porteños ver-
bannt worden war. Dafür machen
manche die nordamerikanische Do-
minanz im Musikgeschäft verantwort-
lich, andere die Zeit der Repression
von 1973 bis 1983.
Auftrieb bekam der Tango wieder,
nachdem er in Europa auf Interesse
stieß. Ein Auslöser dafür war die ar-
gentinische Show „Tango Argentino“,
die 1983 ihre Uraufführung in Paris
feierte.
Es war nicht das erste Mal, dass
eine Kettenreaktion zwischen Europa
An der südlichen Grenze der Capi-
tal Federal gibt es noch ein ganz an-
deres Problem: „Der Riachuelo ist
Sinnbild der Verschmutzung in Argen-
tinien“, so meint ein Greenpeace-Be-
richt von 2010. Das Gewässer hat es
2013 auf Platz acht der am meisten
vergifteten Orte der Welt geschafft.
Schon die Kolonialherren warfen ih-
ren Abfall in das Flüsschen. Heute
spült der 60 km lange und 35 Meter
breite Riachuelo Quecksilber, Brom
und andere Chemikalien in den Río
de la Plata. Im stinkenden Gemisch
aus Gülle und Schwermetallen, das
das Wasser mit sich führt, ist kein Le-
ben mehr möglich. Es gab schon vie-
le Umweltschutzpläne für das Flüss-
chen, die allerdings immer wieder
- wie so vieles andere - im Nichts
versandeten.
Diese Tatenlosigkeit ist die Kehr-
seite des eloquenten und immer
ein wenig melancholischen Porteño,
der spontan und schicksalsergeben
auf die Unwägbarkeiten des Lebens
reagiert.
F In vielen Milongas wird bis
morgens um 6 Uhr getanzt
Search WWH ::




Custom Search