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wird das Land von den Kirchners re-
giert, die dem eher sozialdemokrati-
schen Flügel der Peronisten angehö-
ren. Bürgermeister von Buenos Aires
ist seit 2007 der konservative Unter-
nehmer Mauricio Macri, der zuvor
und ganz nebenbei zwölf Jahre lang
Präsident des Fußballklubs Boca Ju-
niors war. Macri hatte sich vor seiner
Wahl durch seinen rabiaten Umgang
mit den cartoneros (s. S. 52) bei den
Armen nicht eben beliebt gemacht.
Seine konservative Parteienallianz
Pro (Propuesta Republicana) tat sich
bei den Parlamentswahlen 2009 mit
einem konservativen Flügel der Pe-
ronisten zusammen, der sich gegen
die eigene peronistische Präsiden-
tin Cristina Fernández de Kirchner
richtet. Und so kommt es zwischen
der Staatsregierung und dem Bür-
germeister immer wieder zu „atmo-
sphärischen Störungen“, größeren
Reibereien und ausgewachsenen
Machtkämpfen.
Probleme, die es zu lösen gilt, gibt
es viele: Da geistert immer noch das
Schreckgespenst Staatsbankrott um-
her, es gibt die Auslandsschulden,
die nicht zu bremsende Inflation, die
Korruption und die Armut. Angeb-
lich soll der Prozentsatz der Argenti-
nier, die unterhalb der Armutsgren-
ze leben, von 48 % im Jahr 2003 auf
10,5 % im Jahr 2011 gesunken sein.
Das könnte ein Erfolg der Kirchner-
Politik der vergangenen Jahre, aber
auch einer Uminterpretation von Zah-
len und Statistiken geschuldet sein -
schließlich sind die Kirchners mit so-
zialem Engagement angetreten und
die Präsidentin muss Erfolge vorwei-
sen. Die katholische Kirche und ei-
nige NGO schätzen, dass 25 % der
Menschen unterhalb der Armuts-
grenze leben und 10 % unterhalb der
Elendsgrenze.
Witzige Porteños
Über die Eigenliebe der Argentinier
kursieren viele Witze und dieser Nar-
zissmus ist so groß, dass der Porteño
diese chistes („Witze“) mit Vorliebe
selbst erzählt.
µ Wie begeht ein Argentinier Selbst-
mord? Er stürzt sich von seinem
Ego.
µ Ein Porteño wird um Feuer gebe-
ten. Er tastet Hosentaschen und
Brusttaschen ab. „Tut mir leid“,
sagt er, „Ich finde mein Feuerzeug
nicht. Aber Mann, hab ich einen
tollen Körper.“
µ Welches Land ist dem Himmel
am nächsten? Klar: Argentinien.
„Nein“, entgegnet der Porteño.
„Uruguay! Uruguay liegt direkt
neben Argentinien!“
Wer mit offenen Augen durch die
Stadt geht, kann die Armut sehen:
Abends ziehen die cartoneros mit ih-
ren Sackkarren durch die Straßen,
um aus dem Müll das herauszuklau-
ben, was noch verwertbar ist - haupt-
sächlich Karton und Papier. Die vil-
las miserias, die Armenviertel, sind
riesig und haben enorme Zuwächse.
Eines der ältesten und bekanntesten
Elendsviertel, die „Villa 31“ beim Reti-
ro-Bahnhof, soll laut Tageszeitung La
Nacion angeblich von 27.000 Bewoh-
nern im Jahr 2009 innerhalb von vier
Jahren auf 40.000 Menschen ange-
wachsen sein. Die Hälfte von ihnen
kommt aus Paraguay, Bolivien oder
Peru. Bürgermeister Macri plante,
die Bewohner der „Villa 31“ an den
Stadtrand zwangsumzusiedeln, aber
die Nationalregierung setzte sich mit
ihrem Plan durch, nach dem die „Villa
31“ bis 2015 in ein reguläres Viertel
umgewandelt werden soll.
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