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men“ (hebr. „Chassidim“) war es auch, die
marxistische Ideen in Amerika einführte.
Der nächste große Zustrom aus dem Os-
ten Europas folgte nach dem Ersten Welt-
krieg bzw. nach der Oktoberrevolution
in Russland. Dabei spaltete sich die Bevöl-
kerung schnell auf: einerseits das Gros der
einfachen Arbeiter, die v. a. in der Textilin-
dustrie tätig oder als „fliegende Händler“
unterwegs waren, andererseits die Groß-
händler, Diamanthändler und Bankiers.
Allen gemein war dabei der Fleiß und das
Streben, sozial aufzusteigen. So gelang es
vielen, den elenden Lebensbedingungen
der überbevölkerten Lower East Side zu
entkommen und sich, z. B. in Brooklyn,
ein besseres Leben aufzubauen. Weitere
Juden kamen nach der nationalsozialis-
tischen Machtergreifung in Deutschland
1933. Damals entstand ein neues jüdisches
Zentrum im Norden Manhattans, in Wa-
shington Heights. Dort fanden besonders
viele Münchner und süddeutsche Flüchtlin-
ge eine neue Heimat.
Heute gibt es in New York mehrere
chassidische Gemeinden, die sich ständig
über die richtige Form der Religionsaus-
übung streiten. Dazu gehören als bekann-
teste Gruppen die Lubawitscher (Crown
Heights/Brooklyn), deren Gemeinde in
der weißrussischen Stadt Lubawitsch ge-
gründet wurde, und die Satmar (Wil-
liamsburg/Brooklyn), die aus einer Regi-
on an der ungarisch-rumänischen Gren-
ze kommen. Chassidim leben zu über 90%
in Brooklyn, v. a. in Williamsburg und
Borough Park, mit steigender Tendenz,
denn kinderreiche Familien sind die Re-
gel. Auch wenn die „Gottergebenen“ sich
streng an Traditionen, an Thora und Tal-
mud halten und mit ihren langen schwar-
zen Mänteln, Hüten, Schläfenlocken und
Bärten im bunten Stadtbild etwas archa-
isch wirken, sind sie es, die die Unterhal-
tungselektronikbranche und v. a. den Di-
amantenhandel beherrschen.
µ Chassidic Discovery Walking Tours
(s. S. 265)
deren Spezialitäten man sich allerdings
nicht entgehen lassen sollte.
Bevor die Juden ab dem späten 19. Jh.
die Lower East Side dominierten, war das
Viertel zweigeteilt. Da existierte um die
Jahrhundertmitte „Klein Deutschland“
(um die Bowery), in dem rund 1 Mio.
Deutsche eine Heimat gefunden hatten.
1858 beschrieb Karl Theodor Griesin-
ger das Deutschenviertel: „Lebensmit-
telhändler sind stets Deutsche (...). Dicht
bei dicht sitzen sie vor vollen Humpen,
mampfen Brot und Käse und tun ihren
Seelen Gutes an“ (aus: „Lebende Bilder
aus Amerika“). Von ihnen, ihren Kinder-
gärten, Turnvereinen, Bierhallen (wie die
Germania-Tanzhalle an der Ecke Broome
St.) oder dem Deutschen Wintergarten
(45 Bowery), ist kaum etwas geblieben.
Viele Deutsche verließen bald die Lower
East Side und ließen sich in Yorkville in
der Upper East Side nieder. Ein Schiffs-
unglück im Jahr 1904, als bei einem Ge-
meindeausflug der Dampfer General
Slocum Feuer fing und über 1000 Men-
schen umkamen, trug ebenfalls zum Nie-
J Erst Klein-Deutschland, dann jüdisch
und heute schick und in Yuppie-Kreisen
angesagt: die Lower East Side
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