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Am Würstelstand auf dem Weg gibt man uns ein paar letzte aufmunternde Worte mit:
„Four Dollars 25 Cents, guys!“ Dann gibt es keine Ausreden mehr.
Zwei Stunden arbeiten wir an der ersten Steigung, ohne eine Pause zu machen. Kühe
grinsen uns schadenfroh entgegen, und immer, wenn es scheint, als hätte der Berg nun bald
ein Ende, belehren uns die stinkenden Bremsen der entgegenkommenden Autos darüber,
dass der Gipfel noch lange nicht erreicht sein kann.
Als das Ärgste überstanden ist, halten wir Mittagspause auf einer amerikanischen Alm-
wiese. Wir geben uns redlich Mühe, den gewichtigsten Teil unserer Vorräte zu vertilgen,
und nutzen danach (nach ungefähr 50 Meilen) einen weiteren Stopp an einer Bar, um unse-
re Wasserspeicher (innere wie äußere) mit kristallklarem Eiswasser aufzutanken.
Vor Burgess Junction plötzlich Straßenarbeiten. Wir quatschen ein paar Mädchen an, die
dort Ferialaushilfe machen und in Helm und Gummistiefeln Fähnchen schwenken (die ma-
chen das sehr gut, ehrlich). Eine der sichtlich gelangweilten Damen loben wir, weil sie so
zielgenau Kieselsteine auf einen Haufen neben der Straße werfen kann: Wenn sie ein paar
Jahre so weitermacht, kann sie bestimmt am Ende ihren eigenen Berg eröffnen und selber
Maut einheben. - Eine freie Garage in der nächsten Stadt hat sie zwar nicht für uns, doch
dafür macht die Kunde die Runde unter den Girls (und berechnend sind wir ja nicht - wir
doch nicht!).
Eineinhalb Stunden später - wir radeln bereits in Trance und schon wieder bergauf -
schleift sich neben mir ein Geländewagen ein. Ich habe Halluzinationen: Im Wagen sitzen
vier hübsche Mädchen („Haaaiii!!!“). Die blonde Halluzination am Lenkrad fragt mich,
ob wir einen Platz zum Schlafen benötigen und ob wir vom Radfahren nicht langsam hung-
rig wären (wohl eine akustische Fata Morgana). Ich bejahe mit glasigem Blick. Daraufhin
reicht mir die niedliche dunkelhaarige Illusion auf dem Beifahrersitz aus dem fahrenden
Auto einen Zettel mit einer Adresse in Lovell (ein bisschen weit, aber angesichts dieser
Schönheiten werden wir es schon schaffen). Als ich Stefan eine halbe Stunde später auf
dem Gipfel einhole, will er mir nicht glauben. Aber der Zettel in meiner Tasche existiert
und die Schrift ist noch immer nicht verblasst.
Aus einem vorbeifahrenden Auto ruft mir jemand „Nice Legs!“ zu. Dunkel steigt in
mir die Erinnerung auf, dass eines der Baustellen-Mädels versprochen hatte, mir das
nach der Arbeit bei der Heimfahrt zuzurufen. Nett, wirklich. - Komisch, trotzdem
fühle ich mich jetzt ein klitzeklein wenig verarscht …
Ein paar hundert Meter nach den ersten Schneefeldern erreicht die Etappe mit rund 3100
Metern ihren Höhepunkt.
Der Ausblick vom Berg ist fast noch atemberaubender als die Perspektive auf das von
uns herbeigeträumte Abendprogramm: Von hier oben sieht man direkt hinunter in die 2000
Meter tiefer gelegene Ebene.
Ein ignoranter Wohnwagenfahrer schleicht oben kurz vor dem Gipfel mit nur un-
wesentlich höherem Tempo an mir vorbei und bläst mir dabei den Verwesungsgeruch
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