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Reise ist erst dann vorbei und unsere Aufgabe erfüllt, wenn wir in San Francisco über
die Golden-Gate-Brücke rollen.
Das geschieht Stefan ganz recht: Schon nach zwölf Meilen, kurz nach der Ortseinfahrt
von Red Bluff, holt er sich den größten Patschen seines Lebens. Irgendwie gelingt es ihm,
sich einen dicken, rostigen Nagel quer durch den Hinterreifen zu piercen. So schnell kann
er gar nicht stehen bleiben, wie ihm die Luft entfleucht!
Nicht einmal 300 Meilen von San Francisco entfernt muss ich also zum ersten Mal
zu den (Tobi bestens vertrauten) Mantelhebern greifen. Wie macht man das eigent-
lich, Reifen flicken …? - Während ich einen neuen Schlauch einziehe, fährt Tobi we-
gen seines chronischen Speichenbruchs in den Ort zu einem Radgeschäft.
Nachdem ich Tobi nun schon so oft beim Reifenwechseln zugesehen habe, gelingt
mir die Sache erstaunlich flott (man lernt eben auch durch Beobachtung). So bleibt
mir noch genügend Zeit, zur Polizeistation weiterzufahren, um auch die Sache mit
der Brille zu regeln. Meine Erwartungen setze ich sicherheitshalber nicht sehr hoch
an, und der erste Wortwechsel vor Ort scheint mir Recht zu geben: Der freundliche
Police-Officer, mit dem ich ein paar Tage zuvor die Brillenübergabe vereinbart habe,
hat heute nämlich seinen freien Tag und ist auch zu Hause nicht erreichbar. - Ein
nicht minder freundlicher Kollege erklärt sich jedoch dazu bereit, für mich auf dem
Schreibtisch des betreffenden Herrn nachzusehen, und tatsächlich findet sich dort -
meine Brille; fein säuberlich in ein Kuvert gepackt und mit freundlichen Grüßen von
all jenen, durch deren Hände sie bisher gewandert ist.
Anschließend treffe ich Tobi, der ein bisschen wütend aussieht, bei Burger King.
Nun weiß ich endlich, dass man in einem kalifornischen Radgeschäft 10 Dollar zahlen
muss, wenn man sich einen Mutternschlüssel für drei Minuten Arbeit ausborgen will.
(Okay, es ist ein Spezialschlüssel, aber trotzdem …) Ich hab dem Mechaniker einen schö-
nen Tag gewünscht und beschlossen, notfalls bis San Francisco mit einem Achter, einer
Speiche weniger und ohne Hinterradbremse zu fahren.
Mit gemischten Gefühlen ( Stefan ist zufrieden, Tobi nicht ) verlassen wir Red Bluff. Die
Fahrt nach Chico finden wir dagegen beide toll: Der Pannenstreifen gleicht einer Radler-
Autobahn; knapp zwei Stunden fahren wir mit leichter Windunterstützung durch schattige
Obstgärten und Walnussplantagen. Es ist inzwischen später Nachmittag, und die tief ste-
hende Sonne lächelt uns durch die Baumlücken freundlich an. Sonnig ist auch das Gemüt
der Leute, die uns im Vorbeifahren zuwinken.
Verdammt! 10 Meilen vor Chico fängt sich mein Hinterrad an der einzigen baumlosen
Stelle der Straße ein Loch ein. (Merke: Es erhöht das Vergnügen des Reifenflickens be-
trächtlich, wenn man dabei mitten in der prallen Abendsonne sitzen darf.) Danach ist das
Hinterrad völlig verzogen und eiert so sehr, dass es mich bei jeder Umdrehung förmlich
aus dem Sattel hebt.
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