Travel Reference
In-Depth Information
Am Abend erreichen wir nach 95 Kilometern Alturas. Es wird unsere erste Nacht in Ka-
lifornien sein: Uns ist richtig feierlich zumute!
Vergeblich versuchen wir, mein Speichenproblem zu lösen (wer nach Alturas kommt,
sollte nur kaputte Kettensägen und Rasenmäher der Marke Husqvarna zu reparieren ha-
ben, denn hier dürfte Kaliforniens Generalvertretung zu Hause sein), trösten uns aber mit
Bananensplit und einem Erdnuss-Malt-Shake ganz gut darüber hinweg.
Anschließend machen wir eine verwaiste Kirche ausfindig und rufen von einem Nach-
barhaus aus den dazugehörigen Pastor an. Pastor Bud (er sieht aus wie August Paterno)
kommt prompt vorbei und nimmt uns mit zu sich nach Hause. Dort macht uns seine Frau
Hazel ein tolles Abendessen: Geschnetzeltes mit Kartoffeln, Erbsen und Rahmsauce, des
Weiteren knusprig gebackene Brotscheiben mit Traubengelee. Dazu schütten wir mindes-
tens eine Gallone amerikanischen Trauben-Verdünnungssaft (ein Klassiker!) in uns hinein.
Als ich am späteren Abend meine Brille aufsetzen will, greife ich ins Leere. Ungläu-
big verteile ich den gesamten Inhalt meiner Radtaschen über das Bett, während ich
vor meinem geistigen Auge noch einmal die einzelnen Vorgänge des heutigen Morgens
abspule: In Gedanken ziehe ich mich noch einmal aus, betrete die Dusche, lege mei-
ne Brille ab, dusche mich und setze mir anschließend die Kontaktlinsen ein. Darüber,
dass ich die Brille aus der Dusche hole und sie wieder in ihr Etui packe, finden sich
leider keine Aufzeichnungen.
Sch… - schön jedenfalls, dass ich meine Kreditkarte wieder hab!
Pater Bud ist schon ein toller Gastgeber: Als er erfährt, dass wir unterwegs ein paar US-
Nummernschilder gefunden haben und die Dinger jetzt sammeln, schenkt er mir einfach
die alten Tafeln, die bei ihm in der Garage hängen.
31.
The thrill is gone.
B. B. King
Nach einem kräftigen Frühstück bin ich auch moralisch stark genug, die entspre-
chenden Maßnahmen für meine in Lakeview vergessene Brille zu treffen: Mit einer
gewissen Routine rufe ich zuerst die Polizeistation in Red Bluff an (ein Ort auf unse-
rer künftigen Route) und frage, ob man dort wohl meine Brille in Empfang nehmen
würde. Als das klappt, kontaktiere ich unsere Freundin Erika in Lakeview: Erika ist
glücklicherweise daheim und sie verspricht, dass sie meine Brille nach Red Bluff schi-
cken wird.
Mühsam nährt sich das Eichhörnchen: Nur, weil wir jetzt in Kalifornien sind, ist die
Berg-und-Tal-Bahn noch keineswegs beendet. Die Ausläufer der Rockies bringen uns auch
jetzt noch ordentlich ins Schwitzen. Das Schönste ist heute die große Abfahrt über den
Adin-Pass: Auf einmal taucht vor uns im Dunst völlig unerwartet der mehr als 4000 Meter
hohe, schneebedeckte Mount Shasta aus der Ebene auf.
Search WWH ::




Custom Search