Travel Reference
In-Depth Information
Was um uns herum passiert, verliert an Tragweite; die einzelnen Etappen verschwimmen.
Ein allmählicher Verlust der Zusammenhänge ist die Folge und das unbestimmte Gefühl,
dass sich die Reise langsam in ihre Bestandteile auflöst: Was für eine Bedeutung hat denn
aus heutiger Sicht das, was wir am Beginn dieser Reise getan haben? - Können wir uns
daran überhaupt noch erinnern?
Erinnerungen spuckt das Unterbewusstsein aus wie Träume - bunte Seifenblasen, die auf
der Kante zwischen Phantasie und Wirklichkeit balancieren. Doch ist der Unterschied zwi-
schen Realität und Einbildung am Ende überhaupt noch wichtig? Was macht es jetzt noch
aus, ob wir einen Ort tatsächlich besuchen oder uns stattdessen hinsetzen und gemeinsam
irgendein Erlebnis herbeiphantasieren?
Bei so viel Spielraum macht sich Resignation breit. Und Gleichgültigkeit. Wozu noch
eine Abfahrt fotografieren, wenn wir doch die spektakulärsten Berge bereits im Kasten ha-
ben? Nur um zu beweisen, dass wir dort waren? Dass wir, trotz der Größe dieses Landes
und der Schärfe der Sonneneinstrahlung, noch nicht übergeschnappt sind?
Fast muss man sich zwingen, die Dinge trotzdem zu erleben. Einfach so. Spaß zu finden
an dem einzelnen, zufälligen Ereignis. So wie ganz zu Beginn. - Doch der Schlüssel dazu
liegt längst woanders: nicht mehr in der kindlichen Begeisterungsfähigkeit des Anfängers,
sondern - im Gegenteil - in der Übersättigung oder, besser, in der zufriedenen Sattheit, die
uns noch einmal den Blick fürs Detail öffnet.
Und schließlich bröckelt auch das Heldenhafte langsam ab. Nach innen. Es fällt schwer,
auf etwas stolz zu sein, das einem inzwischen so selbstverständlich und alltäglich geworden
ist.
Stattdessen fragen wir uns, wie es wäre, wenn da draußen noch einmal 3000 Meilen war-
teten. Vermutlich anders. Etwas Endzeitstimmung liegt schon in der Luft: Endlich „da”
sein. In Kalifornien, dem Ziel der Reise. Mist. Dabei wollten wir das nicht aufkommen las-
sen. „Für den Augenblick leben“ war das Motto. Haben wir das noch immer nicht gelernt?
Oder wieder verlernt?
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass wir zu viel wissen. Hätten wir keine Vorstellung von
der Größe dieses Landes, wäre es wahrscheinlich besser. Aber irgendwo dort draußen war-
tet ungeduldig der Pazifik auf uns. Und das ist aus unseren Köpfen nicht mehr wegzubrin-
gen.
24.
Oh, how I wish it would rain!
Phil Collins
Nur noch ein Monat bis zu dem Tag, der auf unseren Flugtickets das Rückreisedatum
markiert.
Früh um acht finden wir uns auf dem Golfplatz bei einem Seniorenturnier wieder. Nach-
dem uns der Platzwart kein Golfkart zum Herumdüsen borgen will, schauen wir uns noch
Search WWH ::




Custom Search