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Wenig später höre ich unmittelbar hinter mir ein dumpfes Geräusch - wohl von
dem Wagen, der Sekundenbruchteile danach an mir vorbeirast. - Ein paar hundert
Meter hält mich ein anderer Autofahrer an: Er hat beobachtet, wie mich jemand mit
seiner geöffneten Beifahrertür von der Straße fegen wollte, und möchte nun wissen,
ob ich deswegen Anzeige erstatten will. Dass er sich dafür als Zeuge zur Verfügung
stellen würde, ist eine äußerst nette Geste. Aber ob es wirklich ein bösartiges Atten-
tat oder nur ein übler Scherz war, kann der Mann auch nicht mit Sicherheit sagen. -
Nach dem ersten Schrecken beschließe ich, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und
versuche mich mit dem Gedanken zu trösten, dass wir hier sowieso nie wieder per
Rad vorbeikommen werden.
Die Suche nach Chips und Cola hat jedenfalls schon bald ein Ende. Drei Meilen später
und etliche Höhenmeter die Straße hinunter geben wir unseren ursprünglichen Hot-Spring-
Plan auf und fragen stattdessen an einem der straßennahen Häuser nach Unterkunft. Der
Besitzer schickt uns daraufhin weitere drei Meilen die Straße hinunter, in einen Ort namens
Crouch. Dort soll es ein Restaurant mit einem kleinen Apartment geben, in dem gelegent-
lich Live-Bands wohnen. Da, so versichert er, würde man uns bestimmt umsonst übernach-
ten lassen.
Das erwähnte Restaurant - „The Dirty Shame“ - braucht sich wirklich nicht zu verste-
cken: Als wir ankommen, ist das Gästezimmer zwar gerade an eine Band vermietet, dafür
sind wir mit unseren olympischen Jerseys bald der Auslöser für ein Dutzend halblustiger
Atlanta-Witze, und die gesamte volltrunkene Barbesatzung biegt sich dankbar vor Lachen.
Dementsprechend wenig Mühe hat der liebenswürdige Barkeeper auch, uns an seine Kund-
schaft zu vermitteln, und in kürzester Zeit können wir zwischen zwei Angeboten wählen.
Der Pensionist Rocky und seine Frau erhalten schließlich den Zuschlag: Rocky lädt uns
noch auf ein ganz hervorragendes Abendessen ein und chauffiert uns nachher per Pick-up
sieben Meilen entlang des Middle Fork Payette River einen Berg hinauf (toll, auf unse-
rer Karte sind weder Straße, Fluss noch Berg eingezeichnet). Da oben wohnen Rocky und
seine Frau also im wunderschönen grünen Nichts. Wir bekommen ein eigenes Schlafzim-
mer zugewiesen und schaffen es dann sogar, uns an dem spielwütigen, zehn Monate alten
Riesenschäfer-Welpen „Shadow“ vorbei ins Bett zu kämpfen.
Crouch, Idaho! Ein Nest, das gerade mal auf der Karte zu finden ist, in Rand McNally's
Einwohnerverzeichnis dagegen schon nicht mehr. Nach Pine Planes der zweite Ort in Ame-
rika, an dem ich wirklich gerne wohnen würde. Gelegen in einem wunderschönen Tal am
westlichen Ende der Sawtooths. Ruhige Bächlein, Kühe, Berge, einfach Idylle zum Durch-
atmen.
Beliebigkeit
Lethargie kommt auf. Fast zwei Monate sind wir inzwischen auf der Straße - eine Zeit-
spanne, gegen die sich der einzelne Tag längst klein und unbedeutend ausnimmt.
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