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toffelfelder. Dazwischen das Zischen der riesigen Bewässerungsanlagen. Schließlich wie-
der Sagebrush-Wüste.
In den Sträuchern am Straßenrand sitzen unsichtbare Käfermännchen und klappern paa-
rungswütig mit den Flügeldeckeln. Ihr Lockruf klingt jedoch weniger wie erwartungsvolles
Luststöhnen, eher wie gierige, schmatzende Kaugeräusche irgendwelcher noch nicht näher
erforschten Wüstenratten.
Es ist derselbe schlauchende Gegenwind wie gestern. Nur die letzten 30 Kilometer
sind halbwegs erträglich. Am Abend werde ich ein Bier brauchen.
Als auf dem letzten Stück die Anstrengung ein wenig nachlässt, marschiert mein Leben
in Zeitlupe an mir vorbei. Auf den vielen mühseligen Kilometern, die hinter uns liegen, ha-
be ich so gut wie nichts mehr wahrgenommen. Jetzt schaltet sich mein Hirn zum allerers-
ten Mal wieder voll ein, während unter mir das Asphaltband durch Idahos Erdäpfelfelder
läuft. So intensiv und klar konnte ich schon lange nicht mehr über das Leben, den Sinn der
ganzen Plagerei und meine eigene, mögliche Zukunft nachdenken; ein ungeheuer heilender
Moment für mein durcheinander geratenes Bewusstseinskostüm.
Der Wind flaut etwas ab, die Sonne verliert spürbar an Kraft und plötzlich: ein Radweg!
Hat man uns hier etwa schon länger erwartet? Leider nein. Der unverhoffte Luxus gilt nicht
uns, sondern Tausenden Touristen, denen hier auch im Sommer etwas geboten werden soll.
Schließlich nähern wir uns dem berühmten Sun Valley, laut Umfrage das Skigebiet Num-
mer eins in den USA.
In Hailey suchen wir den örtlichen katholischen Hippie-Pfarrer „Tom“ auf. (Des Mannes
guter Ruf ist uns schon ein paar Meilen die Straße hinunter entgegengeeilt.) Unsere Erwar-
tungen sind dementsprechend hoch - leider stehen nur seine beiden bunt bemalten VW-Kä-
fer vor der Kirchenpforte.
Als ich bei Nachbarn fragen gehe, ob Tom überhaupt in der Stadt ist, renne ich stattdes-
sen Heini, einem über Australien und Vail nach Hailey ausgewanderten Salzburger Mau-
rer, in die Arme.
Zufällig hat Heini gerade ein Barbecue auf dem Feuer und ein paar Freunde zu Besuch
(unter anderem einen Kitzbüheler Skilehrer). Heini findet es daher nur logisch, dass wir
heute bei ihm bleiben; extra für uns hat er bereits vor einer Stunde zwei Steaks beiseite ge-
legt. Als wir uns kugelrund gefressen haben, bekommen wir auch noch jeder ein eigenes
Schlafgemach.
22.
It ain't over till it's over.
Lenny Kravitz
„Oarschtag“, dritte Auflage. Dabei fängt eigentlich alles ganz nett an: Wir kriegen Früh-
stück, verabschieden uns artig und fahren den Radweg hinauf nach Ketchum (wo der be-
rühmte Schauspieler Robert Ketchum sein weltveränderndes Tomaten-Ketchum erfunden
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