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lig und nicht zur Insel. Hätten vier der zehn
noch existierenden Halligen nicht doch ir-
gendwann mal einen Deich gebaut, wären
Hooge, Langeness, Gröde und Oland viel-
leicht auch schon längst untergegangen.
Und ob man die Hamburger Hallig und Nord-
strandischmoor überhaupt noch als Hallig
bezeichnen kann, darf auch ein wenig hinter-
fragt werden. Beide sind durch einen Damm
mit dem Festland verbunden, genau wie Lan-
geness und Oland übrigens.
Diese Wortklauberei wird die Bewohner
wohl kaum interessieren. Und früher schon
gar nicht. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit
war das Leben auf einer Hallig alles andere
als ein Zuckerschlecken. Elektrizität gab es
erst sehr spät, und Wasser wurde zur Exis-
tenzfrage. Da das Grundwasser salzig war,
stand den Halligbewohnern nur aufgefange-
nes Regenwasser zur Verfügung. In einer
gemauerten Zisterne, Sood genannt, wurde
Wasser für die Menschen gesammelt, im Fe-
thing, einer breiten offenen Kuhle, Trinkwas-
ser für das Vieh. Wehe, wenn bei Flut Salz-
wasser in Fething oder Sood floss, dann wur-
de das mühsam gesammelte Nass ungenieß-
bar. Mit teilweise schrecklichen Folgen für
Mensch und Tier.
Das alles ist Geschichte, heute ist das Le-
ben auf einer Hallig fast so bequem wie auf
dem Festland. Wer heute auf einer Hallig lebt,
weiß warum. Kommt klar mit der Einsamkeit,
den gewaltigen Naturelementen und den
Heerscharen von Tagesgästen. Findet nichts
dabei, gleich für mehrere Wochen einzukau-
fen und nicht mal eben ins Kino gehen zu
können. Irgendwie genießen sie ihren Son-
derstatus. Wie beispielsweise bei den Bun-
destagswahlen. Da meldet Hallig Gröde als
kleinste politische Gemeinde Deutschlands
immer als Erste das amtliche insulare Ender-
gebnis. Ein paar Sekunden nach 18 Uhr!
Doch irgendwann werden alle Inseln und
Halligen einmal den Weg allen Irdischen ge-
hen müssen. Der Blanke Hans knabbert un-
aufhörlich, zerrt und zieht, holt sich Stück für
Stück. Besonders groß ist das Problem auf
Sylt. Die Sylter lassen Jahr für Jahr Sandvor-
spülungen durchführen, saugen Sand vom
Meeresboden ab, transportieren ihn an Land
und werfen ihn auf den Strand. Und alles nur,
damit die Nordsee beim nächsten Sturm sich
genau diesen Sand zurückholt und eben
nicht an die Substanz geht. Eigentlich nur ein
aufschiebendes Vorgehen. Sylt liegt nämlich
wie ein riesiger, 40 km langer Wellenbrecher
quer zur anrollenden See. Und die ist so-
wieso stärker. Computergestützte Hochrech-
nungen lassen Sylt bis zum Jahr 2300 auf ei-
nen Klecks Sand schrumpfen, und Sylts Nor-
den um List wird zur eigenen Insel, abgeris-
sen von der Mutter.
Es wird wohl nur mit gewaltigen Anstren-
gungen möglich sein zu verhindern, dass alle
Halligen und Inseln eines fernen Tages den
Weg von Rungholt gehen müssen. Sonst
wird sich vielleicht auch dieser Vers von Lili-
encron bewahrheiten:
„Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch.“
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