Travel Reference
In-Depth Information
»Da werde ich aber eifersüchtig, Paul!«, sage ich mit gespielt weiblicher Stimme.
Wir sind beide nachdenklich geworden. Ich weiß nicht, warum das mit mir und den
Frauen in den letzten Jahren nicht geklappt hat. Ich treffe gelegentlich welche, die ich
toll finde und die mir wichtig sind, aber dann bald nicht mehr oder andersherum, oder
es ist superkompliziert und verletzend. Manchmal habe ich darüber nachgedacht, ob die-
se Reise und die ganze lange Vorbereitungszeit, in der ich mich immer wieder habe sa-
gen hören »im Moment kann ich einfach keine Beziehung haben«, nur ein Davonlaufen
ist. Eine gute Ausrede. Aber jetzt bin ich hier und sollte genießen, was gerade ist.
»Überleg mal, Paul. Irgendwann werden wir auf diese Tour zurückblicken und uns
erinnern. Und dann ist das alles vorbei.«
Paul nickt stumm. »Vielleicht sind wir auch schon auf der nächsten, umsegeln die
Welt oder sind zwei alte Männer, die auf ihr Leben zurückblicken.«
»… und nichts bereuen«, füge ich nach einer Pause hinzu und stochere mit meinem
Schürstock im Feuer. Die Glut wärmt mein Gesicht. Ich stelle mir vor, wie ich mit Paul
im Schaukelstuhl auf einer Veranda sitze, immer noch der gleiche Humor, immer noch
wir zwei, aber 50 Jahre älter. Und mich überkommt ein Gedanke, den ich schon so oft
hatte: »Einer von uns beiden wird zuerst sterben«, sage ich. »Ja, einer von uns wird den
anderen sterben sehen …«, antwortet Paul leise.
Stille.
Wie immer versucht Paul, nach einer kurzen Zeit der emotionalen und ernsten Stim-
mung, Richtung Humor auszuweichen: »Es sei denn, wir machen zur Abwechslung mal
das, was man von Zwillingen erwartet, und sterben einfach gleichzeitig.« Diesmal bin
ich ihm richtig dankbar dafür.
Mein Kopf liegt auf Pauls Knie, so sitzen wir eine Weile, bevor wir wortlos alles ein-
packen, um schlafen zu gehen.
SASCH / 19. MAI / ALGABAS
PAUL
Search WWH ::




Custom Search