Travel Reference
In-Depth Information
chen wir immer wieder Stichprobengänge ins Dunkel und suchen nach einem flachen,
ebenen und trockenen Platz. Nur Nieten. Als uns nach einer kleinen Siedlung mindestens
zehn Hunde laut kläffend über mehrere Kilometer verfolgen, platzt mir der Kragen.
»Schnaaaauuuutze! Verdammt noch mal!«, brülle ich die verdutzt stoppenden Hunde an
und schwinge wie ein Urmensch meinen keulenähnlichen Fahrradständer, den ich mir
aus einer gefundenen Krücke gebaut habe. Hansen steht hinter mir und lacht sich kaputt.
»Die Hunde dachten, sie würden gleich vom Yeti gefressen«, kichert er. Und wie es der
Zufall will, erstreckt sich an genau der Stelle eine sanfte Wiese, auf der wir endlich, end-
lich unser Zelt aufschlagen können.
Auch am nächsten Tag ist die Stimmung wegen des Zeitdrucks, des unaufhörlichen Re-
gens und der schlechten Straßenlage angespannt. Weil Hansen morgens noch das Objek-
tiv unserer Kamera reinigt, wofür er es komplett auseinandernehmen und wieder zu-
sammenbauen muss, kommen wir erst mittags los. Heute noch 70 Kilometer schaffen
und auf dem Weg ein paar 4600 Meter hohe Pässe überfahren zu wollen, ist einfach
hirnrissig. Unser Plan, rechtzeitig bis nach Garze zu kommen, ist eindeutig in Gefahr.
Doch bisher traut sich keiner von uns beiden, das auszusprechen. Denn: was dann?
Mit letzter Kraft schleppen wir uns durch die nahtlos vom Regenguss in Schneesturm
verwandelten Wetterverhältnisse den Pass hoch. Die Regenkleidung hält dicht, aber
durch den darunter angesammelten Schweiß werden wir von innen klatschnass, was auf
der anschließenden Abfahrt wiederum dafür sorgt, dass wir uns den Arsch abfrieren. Er-
neut müssen wir durch ein tosendes Flussbett schieben, dessen Fluten meinen Schutzen-
gel, das kleine gelbe Vögelchen, das mein bester Freund Koni mir als Glücksbringer mit
auf den Weg gegeben hat, mitreißt. Mai Tai, die mich treu die ganzen knapp 10000 Ki-
lometer über begleitet hat, alles mit durchgestanden hat, länger lebte als Tomaso und
Gurke. »Scheiße«, schreie ich. Jede Rettungsaktion ist sinnlos, die Wassermassen ver-
schlingen sie. »Paul, dann ist sie eben weg - wir haben jetzt keine Zeit für so was!«, sagt
Hansen. Natürlich hat er recht, aber die Stimmung wird dadurch nicht besser. Als wir
endlich eine windgeschützte Stelle unter einer Brücke finden, um eine Pause zu machen,
kann ich mich nicht mehr beherrschen. Mir platzt der Kragen, ich explodiere förmlich
und kotze mich, mit Felsbrocken um mich schmeißend, über unsere idiotische Hetzerei
aus. Ich habe es so satt! Mir ist selbst unerklärlich, woher ich überhaupt die Energie für
Search WWH ::




Custom Search