Information Technology Reference
In-Depth Information
des Brain Activity Map Projekts um die Erfassung der Aktivitäten von Nervenzellen, de-
ren Kartierung und somit um das Funktionsverständnis des Gehirnes geht. Dagegen liegt
der Fokus des von der europäischen Union geförderten Human Brain Projekts weniger
auf der Kartierung, sondern vielmehr auf der Entwicklung einer Plattform bzw. der Com-
putersimulation des Gehirns. Generell wird dadurch der Versuch gestartet, durch die Syn-
chronisation der Erkenntnisse u. a. aus der Kognitionswissenschaft und der Computerwis-
senschaften das Verständnis des menschlichen Gehirns als Organ und der Kognition als
Artefakt dieses Organs auf eine neue Ebene zu heben. Dazu soll ein Modell des Gehirns
entwickelt werden, das alle Strukturen des Organs umfasst. Auf Basis dieses Modells und
unter Einsatz von Supercomputern sollen sich dann die Aktivitäten des Gehirns simu-
lieren lassen. Dabei baut dieses Projekt auf den Erkenntnissen des Vorgängerprojektes
„Blue Brain Project“ der ETH Lausanne auf, das zwar eine Reihe interessanter Arbeiten
hinterlässt, allerdings auch die zum Ziel gesetzte Simulation der Aktivität einer kortikalen
Säule hat vermissen lassen. 1 Insofern werden im weiteren Verlauf dieses Buches unter
dem Begriff „Artificial Cognition“ sowohl auf Erkenntnisse des Forschungsprogramms
Cognitive Robotic bzw. Cognitive Computing, als auch dem des Human Brain Projekts 2
bzw. Activity Map Projekts 3 zugegriffen und somit zum Gegenstandsbereich des Buches.
Den Rahmen dieser Erkenntnisverwertung bilden einige erkenntnistheoretischen Po-
sitionen, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen. So werden Positionen des Kon-
struktivismus vertreten, nach denen Entitäten bzw. Objekte erst als Resultat eines Konst-
ruktionsprozesses existieren. Die Existenz solcher Entitäten kann insofern nur postuliert
werden, wenn es eine Methode oder ein Prinzip zu ihrer Konstruktion gibt. Mit anderen
Worten besteht der Kerngedanke des Konstruktivismus darin, dass die menschliche Wahr-
nehmung, das Denken und Erinnern nicht eine äußere Realität abbildet oder repräsentiert,
sondern womöglich eine eigene Wirklichkeit erzeugt bzw. konstruiert.
Dabei gilt es zu bedenken, dass es „den“ Konstruktivismus an sich nicht gibt, da der Begriff „kons-
truktivistisch“ mehrdeutig verwendet wird. So beschäftigt sich beispielsweise der empirische Kons-
truktivismus zum einen mit den Objekten der Wirklichkeit und zum anderen mit Konstruktionspro-
zessen der Wirklichkeit. Die Wirklichkeitskonstruktion wird somit auch hier als konstruktivistischer
Prozess aufgefasst. Mit dieser Auffassung werden alle die Gegenstände angesprochen, die auch
bei der Entwicklung von Simulationen naturanaloger Prozesse zum Tragen kommen. Es sind dies
neben dem Prozess als solchem, Voraussetzungen, Bedingungen und auch die Folgen der kognitiven
Konstruktion von Wirklichkeiten. Aber auch eher entwicklungsnahe Aspekte, wie physiologische,
biologische, anthropologische Voraussetzungen, Wahrnehmungs-, Daten-, Informationsverarbei-
tungsprozesse, Affekt-, Situations- und Wissensmanagement werden in die Überlegungen mit einbe-
zogen. Dabei werden Gebiete der Kognitionswissenschaften und Künstlichen Intelligenz-Forschung
aufgesucht, wenn es um die Voraussetzungen von Lernen, Interoperation und Kommunikation, der
Ordnungsbildung und der Entstehung von Organisationen, beziehungsweise des Phänomens der
Emergenz in Prozessen der Selbstorganisation geht.
1 Siehe auch http://bluebrain.epfl.ch/.
2 Siehe auch http://www.humanbrainproject.eu/.
3 Siehe auch http://www.nih.gov/science/brain/.
 
Search WWH ::




Custom Search