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4.2.2
Kognitionstheorie
In dem letzten Abschnitt wurde der Begriff der Kognition als Bezeichnung von solchen
Leistungen des menschlichen Gehirns verstanden, die am Zustandekommen intelligenten
Verhaltens beteiligt sind. Diese umfassen nicht nur theoretische Fähigkeiten, wie das Er-
innern oder Sprechen, sondern auch das planvolle Umsetzen der eigenen Wünsche und die
Organisation von Handlungsweisen, die positive Gefühle bringen und negative Gefühle
vermeiden. Insofern schließt der bisher erarbeitete Begriff der Kognition sowohl motiva-
tionale als auch emotionale Zustände ein (Heckhausen 1989). Speziell für den Anforde-
rungsbereich des Cognitive Computing gilt es nun aber auch, die motorische Steuerung in
den Leistungsumfang aufzunehmen.
Eine solche umfassende Kognition ist der Gegenstand der Kognitionstheorie, wie sie
im Rahmen dieses Buches entwickelt wird. Das Ziel dabei ist, Theorien der Prozesse und
Repräsentationen zu entwickeln, die intelligentem Verhalten zugrunde liegen. Ein wei-
teres Ziel besteht darin, diese Entwicklung so zu gestalten, dass sie als exakte und im-
plementierbare Modelle einer empirischen Überprüfung zugeführt werden können. Die
Kognitionstheorie liefert sozusagen die Grundlage dafür, dass eine artifizielle Kognition
funktional und prozessual beschrieben und ausimplementiert werden kann.
Die Kognitionstheorie dieses Buches geht von der Annahme aus, dass Kognition als
solches ein physisches System ist, da es in einem solchen implementiert ist. Desweiteren
orientiert sich diese Kognitonstheorie am Funktionalismus. Der Funktionalismus geht da-
bei auf die Theorie formaler Systeme und die Idee der universellen Berechenbarkeit durch
Turingmaschinen zurück. Die Orchestrierung der funktionalen und prozessualen Kom-
ponenten bildet die kognitive Organisation ab, wobei die einzelnen Komponenten auf
sehr verschiedene Weise physisch implementiert werden können. Die Implementierung
eines entsprechenden Modells ermöglicht dabei eine direkte empirische Überprüfung. Die
Erfolge und Misserfolge dieser Vorgehensweisen stellen im Umkehrschluss den klassi-
schen Kognitionswissenschaften wertvolles Erfahrungs- bzw. Erkenntnismaterial zur Ver-
fügung. Insgesamt ermöglicht die Theorie, dass eine Implementierung von Kognition in
einem künstlichen und damit anorganischen System angestrebt werden kann. Eine solche
Theorie der Kognition wird daher am Ende sowohl den Menschen mit seiner Kognition als
auch Lösungssysteme mit ihrer artifiziellen Kognition erfassen können.
Bei der Modellentwicklung werden dabei mehrere Ebenen der Betrachtung getrennt.
Zunächst geht es auf der funktionalen Ebene um die Modellierung von Teilleistungen,
den dadurch bewirkten inneren Zuständen. Auf dieser Ebene sind die höheren mentalen
Zustände und Repräsentationen, wie beispielsweise Emotionen, Intentionen, Intuitionen
etc. angesiedelt. Auf der Ebene der funktionalen Architektur wird beschrieben, wie die
einzelnen funktionalen Komponenten im Rahmen eines Prozesses zusammenarbeiten und
welche mentalen Komponenten an der betrachteten Leistung beteiligt sind. Auf der Ebene
der Implementierung bzw. physischen Struktur wird betrachtet, wie die betreffende Leis-
tung und damit die Algorithmisierung in das konkrete Trägersystem eingebaut ist. Die
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