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gen beschert. Ein ziemlich neuer Freund gab mir seine Handynummer und be-
tete geduldig eine Zifer nach der anderen herunter. Die letzten drei waren
896, was sich in seinem Berner Dialekt wie achti-nuuni-sechsi anhörte. Ich
verstand aber nur „afternoon sex“. Nun bin ich es nicht gewohnt, in der Ge-
müseabteilung des Coop angebaggert zu werden, und mein Gesicht lief so rot
an wie die Tomaten hinter mir. Abgesehen von meinem Erröten war die unmit-
telbare Folge, dass ich die Schweizer Zahlen im Schnellverfahren lernte. Eine,
die mich immer noch zum Lächeln bringt, ist die 5: In Bern wird aus dem häss-
lichen deutschen fünf ein füüi , was vor meinem inneren Auge einen kleinen
weißen Pudel heraufbeschwört.
Die Zeit wirft ganz eigene Übersetzungsprobleme auf. Zum Beispiel haben
sich Freunde mit mir „um halb sieben“ verabredet, was ich als half seven ver-
stand und deshalb eine Stunde zu spät auftauchte. Das nächste Mal stellte ich
den Zeitpunkt auf Deutsch und auf Englisch klar, weil meine Kenntnis deut-
scher Zahlen ofenbar noch nicht übers Kindergartenniveau hinausreichte,
und mir passierte dasselbe erneut. Einmal eine Stunde zu spät kommen ist
Pech; es zweimal zu schafen sieht nach Gedankenlosigkeit aus, hätte Lady
Bracknell gesagt, wenn sie Schweizerin gewesen wäre. Die Schuld liegt bei
den unterschiedlichen Zeitbezeichnungen. Ich hatte halb sieben fälschlicher-
weise als half seven übersetzt und geglaubt, es bedeute wie im Englischen
7.30 Uhr. Bin ich doof! Halb sieben ist in Wirklichkeit half six. Liegt doch auf
der Hand, oder? Übersetze die Zahl, zieh eins ab und addiere ein Halbes dazu.
Das Problem ist, dass half seven im Englischen eine Abkürzung für half-past
seven ist, während im Deutschen halb sieben nur die Hälfte auf dem Weg zur
sieben bedeutet, also 6.30 Uhr. Eine ganze Stunde früher. Und selbst wenn
man es in der Schweiz mit anderen Englischsprachigen zu tun hat, die hier
schon länger leben, ist nicht auszuschließen, dass sie half seven als Überset-
zung des schweizerischen halb sieben deuten. Meine Lösung? Sagen Sie ein-
fach six thirty , oder, besser noch, verabreden Sie sich nur zur vollen Stunde.
Sieben Uhr ist für jeden glasklar - oder doch nicht? Viele Schweizer halten sich
sogar umgangssprachlich an die 24-Stunden-Uhr - das muss mit dem ständi-
gen Lesen von Fahrplänen zusammenhängen. Daher habe ich mir angewöhnt,
19.00 Uhr zu sagen, um jedes Risiko auszuschließen, dass jemand zwölf Stun-
den zu früh kommt. Das klingt in englischen Ohren ziemlich militärisch - oder
vielleicht einfach nur typisch schweizerisch.
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