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kalste Wandel vollzog sich im Jahr 1874, als Helvetia aufstand: Bis dahin war die Schwei-
zer Schwester von Britannia, Germania und Bavaria sitzend abgebildet worden, aber seit-
her steht sie stolz da wie die Freiheitsstatue. Und mehr als hundert Jahre später musste
der Ring aus Sternen (jeder repräsentiert einen Kanton) auf der Zweifrankenmünze nach
der Schaffung des Kantons Jura einen weiteren Stern aufnehmen. Aber das war's auch
schon. Da ich aus einem Land komme, das seine Münzen alle paar Jahre abwandelt, wirkt
es auf mich äußerst merkwürdig, Münzen zu sehen, die älter sind als ich. Gelegentlich
bekomme ich eine Münze aus den 1940er-Jahren als Wechselgeld und frage mich, durch
wie viele Tausend Hände sie seit ihrer Prägung gegangen sein mag. Anschließend wasche
ich meist die meinen.
Obgleich ihr Design unverändert blieb, sind die Münzen selbst nicht mehr die glei-
chen. Früher waren sie aus Silber, doch das ließ man ab 1967 bleiben, da wegen des ho-
hen Silberpreises Münzen gehortet und außer Landes geschafft wurden. Auch geben sich
die Schweizer nicht mit Kleingeld ab; die Ein- und Zweirappenmünzen wurden aus dem
Verkehr gezogen, also keine Preise auf ,99. Sehr vernünftig.
Da die Münzen eine Konstante darstellen, werden Veränderungen heftig debattiert. Be-
sonders hitzige Diskussionen entfachte 1895 ein neues Design für die 20-Franken-Gold-
münze. Sie zeigte eine Schweizerin mit einem Schultertuch mit Edelweißborte vor einer
Bergkulisse. Nicht gerade ein kontroverses Motiv, möchte man meinen, doch gewisse
Herren nahmen Anstoß daran. Genauer gesagt an der Locke, die ihr in die Stirn fällt und
»die Frau wie ein leichtfertiges Luder« aussehen lässt; das entsprach nicht dem Bild der
Schweiz, das die Herren sich wünschten. Aber bei der Öffentlichkeit, die sich offenbar
nicht an ihrem widerspenstigen Haar störte, erfreute sich »Vreneli«, wie sie volkstümlich
heißt, großer Beliebtheit. Und so wie Vreneli eine echte Schweizerin ist, so ist auch auf
dem Fünffrankenstück, dem Fünfliber, in Gestalt des breitschultrigen Kapuzenträgers ein
Durchschnittsschweizer abgebildet, ein einfacher Hirte. Entgegen dem Volksglauben han-
delt es sich nicht um Wilhelm Tell.
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