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Korsika liehen musste. Napoleon sah ein, dass seine korsischen Ambitionen ges-
cheitert waren - und schlug sich kurzerhand auf die französische Seite.
Einige Historiker vermuten, Napoleon sei nur aus rationalen Gründen zum
französischen Patrioten mutiert, sein Herz aber habe stets an Korsika gehangen.
Wenn dem so war, war Napoleon ein hervorragender Schauspieler, der seine Ge-
fühle hundertprozentig im Grif hate. Denn als er endlich »alle Macht der
Herrschat in den Händen« hielt, krümmte er keinen Finger für seine Geburtsin-
sel. In den 15 Jahren seiner Regentschat reiste er kein einziges Mal nach Korsika
oder zeigte Verständnis für seine Landsleute. Als er längst in Paris residierte,
erkundigte er sich arrogant: »Schlagen sich meine Landsleute immer noch gegen-
seitig tot?« Sie schienen ihm vor allem als Kanonenfuter für die Realisierung
seiner Weltherrschatsträume zu taugen. Ansonsten sorgte er mit der ihm eigen-
en Eizienz dafür, dass die Insel endgültig zur französischen Provinz wurde, in-
dem er dort einen besonders üblen Stathalter installierte. General Joseph Mor-
and knüppelte noch den letzten wackeren Unabhängigkeitskämpfer nieder und
ging hart gegen das Banditentum vor - mit ausdrücklicher Billigung Napoleons.
Seiner Entscheidung für Frankreich passte Napoleon auch seinen Namen an: Aus
dem Korsisch und Italienisch sprechenden Napoleone (korsisch: Nabulione) di
Buonaparte wurde der durch und durch frankophile und französisch denkende
Napoléon Bonaparte. Nur eines verlor er nicht: seinen korsischen Familiensinn.
Er setzte ihn strategisch zur Sicherung seiner Macht ein, indem er seine Ver-
wandten zu Königen oder Fürsten machte oder ihnen andere lukrative und ein-
lussreiche Posten in Europa verschate. Sein ältester Bruder Joseph wurde König
von Spanien, Lucian, der zweite und begabteste Bruder Napoleons, wurde Fürst
von Camino und Musignano (und hate entscheidenden Anteil am Staatsstreich
Napoleons im November 1799). Ludwig, den driten Bruder (der Vater Napole-
ons III.), machte er zum König von Holland, den jüngsten der fünf Brüder,
Jérome, zum König von Westfalen. Auch die Schwestern Elisa, Karoline und Pau-
line überschütete er mit Reichtümern, Fürsten- und Herzogstiteln. Nur die Mut-
ter Letitia lebte am Hof unter dem bescheidenen Titel »Madame Mère«.
Erst am Ende seines Lebens, als er längst auf der Atlantikinsel Sankt Helena in
der Verbannung lebte, erlaubte er sich romantische Anwandlungen seine Heimat
betreffend. In seinen Memoiren schwärmte er, auf Korsika sei alles »besser und
viel schöner als anderswo«. Berühmt geworden ist sein eingangs erwähnter
Ausspruch, er könne seine Insel mit geschlossenen Augen am Dut der Macchia
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