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der Kalsa. Erste und Drite Welt wohnen hier gleichsam Tür an Tür. Es wäre an-
maßend, in dem reichen Winkel der Stadt immer gleich ihre verbrecherische
Seite zu vermuten. Aber man fragt sich schon, warum es in einer statistisch ar-
men Stadt so viele Bankilialen gibt.
Die Antimaiabewegung hat andere Versammlungsorte. Zum Beispiel das Haus in
der Via Notarbartolo im Westeil der Stadt, in dem der Untersuchungsrichter Gio-
vanni Falcone und seine Frau Francesca Morvillo gewohnt haben. Beide sind bei
einem mörderischen Atentat ums Leben gekommen, als am 23. Mai 1992 ein
ganzes Autobahnstück zwischen dem Flughafen Punta Raisi und Palermo in die
Lut gesprengt wurde (der Streckenabschnit ist heute zur Erinnerung mit
riesigen weinroten Stelen gekennzeichnet). Vor dem Haus in der Via Notarbarto-
lo steht ein krummer Ficus, der sich lichtsuchend vom Gebäude wegdrängt. Der
Stamm ist übersät mit Botschaten, Zeteln, Fotos, die an die beiden Unter-
suchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino erinnern. Jedes Jahr im
Mai versammeln sich hier Demonstranten, um an die Blutaten des Jahres 1992
zu erinnern. Und um zu zeigen, dass sich eine Mehrheit der Palermer nicht mehr
vom organisierten Verbrechen einschüchtern lassen möchte.
Traurig hängt dagegen miten in der Altstadt ein gelbes Schild am Geburtshaus
von Paolo Borsellino, der wenige Wochen nach dem Anschlag auf Falcone ermor-
det wurde. Auf dem Schild gab man im Jahr 1993 das Versprechen ab, dass von
hier aus die Erneuerung der Altstadt ausgehen würde. Das Haus war aber bei
meinem letzten Besuch heruntergekommen wie die ganze Straße. Bereits wenige
Schrite weiter kommt man dagegen in eine hübsch hergerichtete Gasse mit dem
träumerischen Namen »Straße des Schnees auf dem Lorbeer« (Via della Neve
all'Alloro). In der Hausnummer 1 hat der Kulturmanager Michele Anselmi ein lit-
erarisches Café eingerichtet, in dem er kleine Ausstellungen, Literaturlesungen
und Podiumsdiskussionen veranstaltet. Hier kann man preiswert eine Kleinigkeit
essen, einen Aperitif trinken und abends an kleinen Tischen lange draußen
sitzen, während aus den ofenen Fenstern der Nachbarhäuser die Töne der
Fernsehnachrichten und die Melodien der Sommerhits dringen und sich mitein-
ander vermischen.
Michele Anselmi organisiert Touren durch Sizilien auf den Spuren von Gi-
useppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) und seinem Weltbestseller »Il Gato-
pardo« (»Der Leopard«). Der Palazzo, in dem der Schritsteller gelebt hat, liegt
gleich um die Ecke. Ebenso das Freudenhaus, das der Fürst Salina, die Hauptigur
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