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Mann in den Neunzigerjahren festnehmen und verurteilen konnte, entdeckten
die Ermitler, dass er in der Camera dello Scirocco und den teilweise trock-
engelegten Kanat-Kanälen Licht angebracht und diese unterirdischen Gänge zu
einem Fluchtsystem ausgebaut hate. Nach der Enteignung des Maiabesitzes
haben heute die scouts , die Pfadinder Palermos, ihren Sitz in diesem Palazzo. Und
wenn ein Besucher den arabischen Kanat besichtigt, so der Ingenieur, lerne er
nicht nur ein unterirdisches Palermo kennen, das den meisten unbekannt ist,
sondern auch, wie sich die Cosa Nostra immer wieder in den Nischen und
Winkeln dieser Stadt einrichte.
Kann man die Maia noch anderswo sehen? Wenn man etwa mit Deutschen
spricht, die in Palermo leben, heißt es, man wisse zwar um die Maia, lese auch
hier und da in den Zeitungen etwas über sie, aber man sei noch nie in Berührung
mit ihr gekommen, sie spiele im Alltag der Stadt keine spürbare Rolle. In den
Straßen würde auch nicht (mehr) geschossen. Sogar ein iktiver Boss mit schwar-
zer Sonnenbrille und Panamahut über dem gegelten Haar, der sich im Hafen
zusammen mit Touristen fotograieren (und bezahlen) ließ, habe kürzlich seinen
Dienst mangels Nachfrage quitiert. Keine Frage: Es lässt sich in Palermo, einer
der schönsten Städte Südeuropas, wunderbar leben, ohne dass man von der or-
ganisierten Kriminalität gestört wird. Cosa Nostra, das ist eine andere Welt, eine
andere Stadt.
Ist das wirklich so? Natürlich kann man der Baustelle nicht ansehen, ob auf ihr
maiöse Unternehmen tätig sind. Man sieht nur Menschen, die arbeiten. Wenn
man in die Via Libertà, die lange und elegante Ausfallstraße von der Piazza
Politeama Richtung Westen, einbiegt (dort, wo die Stadtpläne der meisten Reise-
führer auhören), schaut man in die Vitrinen von Luxusgeschäten, passiert eine
Bankiliale nach der anderen, liest auf blank geputzten Messingschildern die Na-
men von Rechtsanwälten und Ärzten und blickt hinauf zu geplegten Fassaden.
Das geht nicht nur wenige Hundert Meter so, das sind mehrere Kilometer, die
eher nach Mailand gehören als nach Palermo. Und das soll eine Stadt sein, die
dem Anteil am Brutoinlandsprodukt nach auf Platz 95 von 110 Kreisstädten steht
und damit oiziell zu den ärmsten Orten Italiens gehört?
In Palermo kann man aber bei einem Spaziergang neben der Luxusstraße auch
die heruntergekommene Gasse inden, das elegante Wohnhaus neben der Abriss-
bude, die geplegte Parkanlage neben dem verdreckten Platz, exotische Vögel in
den Gärten des Palazzo D'Orleans neben streunenden Hunden im Altstadtviertel
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