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17.3 Entwicklung wissenschaftlicher Konzepte
der GVO-Umweltrisikoanalyse
17.3.1 Ökotoxikologischer Ansatz versus ökologischer Ansatz
Mit den ersten Freisetzungen von GVO 1983 in Kalifornien setzte eine Diskus-
sion über die geeigneten Methoden zur Risikoanalyse ein. Im Kern dreht es sich
um die Frage, ob und inwieweit etablierte Methoden zur Abschätzung der ökoto-
xikologischen Eigenschaften von Chemikalien auf GVO anwendbar sind oder ob
neue Ansätze zur Anwendung kommen müssen, die systematisch die spezifischen
Unterschiede zwischen lebenden Organismen und Chemikalien wie Interaktion mit
der Umwelt, Mutationsfähigkeit und Selbstreplikation berücksichtigen. Der un-
terschiedliche methodische Ansatz und die daraus resultierenden divergierenden
Ergebnisse und Erkenntnisse wurden einer breiteren Öffentlichkeit durch die Pub-
likationen von Hilbeck et al. ( 1998a , b ) sowie Losey et al. ( 1999 ) präsentiert. Die
Autorengruppen konnten zum ersten Mal negative Effekte von Bt-Toxinen und Bt-
Maispollen auf ökologisch relevante Nicht-Zielorganismen in Laborexperimenten
zeigen, und zwar nachdem Bt-Pflanzen durch die U.S.-Behörden nach Durch-
führung einer ökotoxikologisch orientierten Risikoanalyse dereguliert und bereits
angebaut wurden. Eine erneute, umfangreichere Risikoanalyse der Bt-Baumwolle
stellte fest, dass die U.S.-Behörden 1995 als Grundlage der Deregulierung weder
Daten aus ökologisch orientierten Laborexperimenten noch aus Freisetzungsversu-
chen von den Antragstellern angefordert hatten (EPA 2001 ) . Es ist festzustellen,
dass bis heute ein großer Teil der Risikoforschung und -analyse auf ökotoxiko-
logischen Methoden aufbaut, in denen z. B. Testorganismen auf der Basis ihrer
einfachen Anzucht in Laboren, nicht aber wegen ihrer ökologischen Bedeutung
ausgewählt werden. Die zwei unterschiedlichen Konzepte zur GVO-Risikoanalyse
wurden als ökologischer Ansatz und (öko)toxikologischer Ansatz charakterisiert
(Obrycki et al. 2001 , Raybould 2007 ) . Nach EFSA ( 2010b ) können die gegenwärti-
gen Methoden und Vertreter den Publikationen von Andow et al. ( 2006 ) und Romeis
et al. ( 2008 ) entnommen werden.
Hilbeck et al. ( 2000 ) stellten in Frage, ob das Design solcher ökotoxikologi-
scher Tests überhaupt zur Klärung der Fragen ökologischer Risiken von Bt-Pflanzen
beitragen kann. So wurden etwa im Rahmen der Zulassung von Bt-Mais Fütte-
rungsversuche mit Wasserflöhen Daphnia magna und Bt-Maispollen durchgeführt,
bei denen keine negativen Effekte zu beobachten waren. Obwohl Daphnien we-
der Pollen fressen noch sich das Bt-Toxin aus den Pollen im Wasser löst, dienten
diese Ergebnisse als Grundlage der Bewertung mit dem Ergebnis „kein Risiko“.
Testreihen mit dem Kompostwurm Eisenia fetida , in denen keine negativen Be-
einflussungen messbar waren, dienten ebenfalls als Begründung der Bewertung
„kein Risiko“, obwohl nicht gezeigt wurde, dass die Kompostwürmer das Bt-Toxin
überhaupt aufgenommen hätten. Abgesehen vom fragwürdigen Testdesign ist an-
zumerken, dass der in ökotoxikologischen Tests häufig verwendete Kompostwurm
kein repräsentativer Organismus aus Agrarökosystemen ist (Jänsch et al. 2005 ) .
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