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Transnationale Hochwasserrisiko-
geschichte am Oberrhein
ter ihres Auftretens erkennen (Abb. 2.40). Viele Ereig-
nisse betrafen im Untersuchungsgebiet fast ausschließ-
lich den Rhein, wie beispielsweise im Juli 1343, Juni
1876, September 1881 oder Juli 1910. Ihre hydrologi-
schen und meteorologischen Ursachen liegen haupt-
sächlich in den Alpen und/oder im Schweizer Mittelland
(Typ 1). Ein zweiter Typ betrifft den Rhein und gleich-
zeitig alle Nebenflüsse des Untersuchungsgebietes, wie
im Juli 1480, im Dezember 1882 oder Januar 1910. Aus
historischer Perspektive ist es dieser Typ 2, der die
größte Ausdehnung hatte und die schwersten Schäden
anrichtete. Ein dritter Typ betraf nur die elsässischen
Nebenflüsse, wie im März 1876 oder Februar und
Dezember 1999 (Typ 3). Typ 4 betraf demgegenüber nur
die Nebenflüsse des deutschen Teils des Untersuchungs-
gebietes, wie zuletzt im Dezember 1991. Von Bedeutung
insbesondere für die Region ist auch Typ 5, der dadurch
gekennzeichnet ist, dass ausschließlich die Nebenflüsse
links und rechts des Rheins Hochwasser führen, wie im
Mai 1872, Februar 1877, März 1896, Dezember 1919,
Dezember 1947 oder April 1983.
In zahlreichen Fällen lassen sich die klimatologischen
Ursachen identifizieren und in die vier Grundtypen
konvektive Starkregenereignisse, Dauerregen, Regen auf
Schnee/Schneeschmelze und Eisgang untergliedern.
Großräumliche Vergleiche mitteleuropäischer Flussein-
zugsgebiete zeigen, dass vor allem Eisstauhochwasser,
aber auch Dauerregen, Ereignisse mit hoher zeitlicher
Persistenz und räumlicher Ausdehnung sind, wie bei-
spielsweise das Eisstauhochwasser vom Februar 1784,
das als mitteleuropäisches Extremhochwasser identifi-
ziert werden kann. Im südlichen Oberrheingebiet ist die
Rangfolge der klimatologischen Ursachen für Hochwas-
ser der Nebenflüsse des Rheins eine etwas andere: Hier
rangiert als meteorologische Ursache Regen auf Schnee/
Schneeschmelze vor Dauer- und Starkregen, während
Eisgang/Eisstau als Einzelursache eher selten auftritt
(Abb. 2.41).
In den langfristigen Analysen sind nur wenige Perio-
den gleichartiger Muster erkennbar, welche auf eine
gemeinsame übergeordnete Steuerung schließen lassen
(Abb. 2.42). Grundlegend kann davon ausgegangen wer-
den, dass jedes Hochwasser im großräumigen Kontext
ein spezifisches zeitlich-räumliches Muster abbildet, wie
in der Arbeit von Glaser et al. (2010) für Europa gezeigt
wird. Auch in der mesoskaligen Zusammenstellung
kommen verschiedene kurz- wie auch langfristige As-
pekte zum Tragen. Neben Quellenlücken wirken sich vor
allem singuläre Starkregenereignisse kleinräumig aus,
ebenso zeitlich und räumlich unterschiedlich einset-
zende technische Maßnahmen. Daneben lassen sich
einige übergeordnete klimatische Trends und Struktu-
ren identifizieren. Mit den großklimatisch begründba-
ren kühl-feuchten Phasen korrelieren beispielsweise die
Peaks im Hochwassergeschehen am Rhein und an eini-
Rüdiger Glaser, Axel W. Drescher,
Dirk Riemann, Brice Martin, Iso Himmelsbach
und Satoshi Murayama
Hochwasser zählen europaweit zu den besonders folgen-
schweren Naturereignissen. Aus diesem Grund kommt
ihnen auf lokaler, regionaler, nationaler und europawei-
ter Skala besondere Aufmerksamkeit zu, was sich in
Maßnahmen und Regelungen wie der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie äußert (EU 2007). Die Europäi-
sche Wasserrahmenrichtlinie von 2007 zählt zu den be-
sonders geglückten Entwürfen der europäischen Um-
weltpolitik, da zum ersten Mal über Fachgrenzen hinweg
ein gesamteinheitlicher Ansatz auf den Weg gebracht
wurde, in dem nicht nur fachspezifische Aspekte im
engeren Sinne, sondern vor allem auch die Fragen der
Partizipation und die Belange von Betroffenen Berück-
sichtigung fanden. Die zunehmende „Europäisierung“
von Planung ist Ausdruck einer politischen Willensbe-
kundung zur weiteren Einigung Europas. Dabei stellt
sich die Frage, wie ihre Umsetzung auf nationalstaat-
licher Ebene und ihre Realisierung auf regionaler und
lokaler Ebene erfolgen. Am Oberrhein konnte im
deutsch-französischen Forschungsvorhaben TransRisk
(Interdisziplinäre und transnationale Analyse der Hoch-
wasserrisikogeschichte im Oberrheingebiet) analysiert
werden, wie im historischen Kontext das Hochwasserri-
siko durch die Grenze zwischen Deutschland und Frank-
reich beeinflusst wurde und wie die aktuelle Umsetzung
der Wasserrahmenrichtlinie, die eine Realisierung von
Hochwasserrisikoplänen bis 2013 und eines Hochwasser-
risikomanagements bis 2015 vorschreibt, ausgestaltet ist.
Auf der Basis von umfassenden historischen Analy-
sen, in die unter anderem Quellen, Bauakten, Hochwas-
sermarken (Abb. 2.38) einflossen, konnte erstmals eine
zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Datenbasis
zum Hochwassergeschehen der letzten 300 Jahre am
Oberrhein und seinen Nebenflüssen abgeleitet werden
(Abb. 2.39). Die Daten, die nach quellenkritischen Ge-
sichtspunkten erhoben und bewertet wurden, zeigen ein
interessantes Muster von Einzelfällen, aber auch regio-
nalen und überregionalen Ereignissen.
In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, wie
die raumzeitlichen Veränderungen im Auftreten von
Hochwasserereignissen als Ergebnis einer Klimaent-
wicklung gewertet werden können und welche Rolle die
hochwasserschutztechnischen Maßnahmen spielen. Auch
die Wirkung politisch motivierter Einflüsse lässt sich
durch die Grenzlage im transnationalen Kontext be-
sonders gut vergleichen.
Zunächst lassen die Hochwasser am Oberrhein und
seinen Nebenflüssen fünf grundlegende räumliche Mus-
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